Blinde Verführung (German Edition)
für gewöhnlich das Todesurteil, wenn es ums Flirten ging.
„Hallo Patrick“, erwiderte sie bemüht freundlich.
Als würde er ihre Unsicherheit spüren, sagte er: „Oh, ich hoffe doch es ist in Ordnung, dass ich Sie beim Vornamen nenne? Verzeihen Sie bitte meine schlechten Manieren, das ist ein Überbleibsel aus meiner Kindheit.“
Marlene wurde rot, ohne so recht zu wissen wieso. „Ja, ist es. Ich habe ein Namensschild. Jeder nennt mich beim Vornamen, machen Sie sich deshalb bitte keine Sorgen.“ Sie riss sich von seinem hinreißenden Lächeln los, konsultierte kurz ihren Block und atmete einmal tief durch. „Um Ihre Frage zu beantworten: Wir haben noch ein Stückchen Schokoladenkuchen übrig – unser Verkaufsschlager –, einen halben Käsekuchen, ein paar Blaubeermuffins und zwei Stücke Erdbeertorte.“
„Es ist wirklich noch Erdbeertorte da?“
„Ja, unglaublich bei dem schönen Wetter, oder?“, fragte Marlene und lachte. „Wer weiß, vielleicht haben die Leute bei dem Erdbeerangebot in den Supermärkten lieber selbst gebacken.“
Er nickte. „Könnte sein. Aber ich bin eine Niete in der Küche und von daher ist das perfekt für mich. Ich nehme die Torte … alles davon.“ Sein Lächeln wurde noch ein wenig breiter, was kleine Grübchen auf seinen Wangen entstehen ließ. „Und vielleicht einen Milchkaffee für meine charmante Bedienung?“
„Oh“, stotterte Marlene. Sie fühlte sich komplett überrumpelt von seiner freundlichen Einladung. „I-ich danke Ihnen, das ist wirklich sehr nett, aber das kann ich nicht. Meine Schicht endet erst um sieben und Heidi würde mich umbringen, wenn ich Kaffee trinke, während sie arbeiten muss.“
„Das wäre in der Tat unverzeihlich. Ich entschuldige mich vielmals.“ Sein Lächeln wurde für einen Augenblick schelmisch und Marlene hatte den Eindruck, dass es ihm ganz und gar nicht leid täte, wenn Heidi für eine halbe Stunde auf sich allein gestellt wäre.
„Trotzdem vielen Dank, es ist schon ewig her, dass mich jemand auf einen Kaffee eingeladen hat“, sagte sie, wobei sie sich fragte, ob er einfach nur nett sein oder sie tatsächlich abschleppen wollte.
„Es war mir ein Vergnügen. Vielleicht habe ich ja nächstes Mal mehr Glück?“ Er hob seine Augenbrauen in einer fragenden Geste und lächelte herausfordernd. Normalerweise fand Marlene so etwas unattraktiv an Männern, aber bei ihm kam es eher verspielt als obszön rüber. Vielleicht hatte Heidi Recht und es lag an seinem gut geschnittenen und doch irgendwie legeren Anzug … vielleicht aber auch an der Tatsache, dass er blind war und somit nicht wusste, wie sie aussah. „Apropos Vergnügen, könnte ich vielleicht eine Portion Schlagsahne zum Kuchen bekommen?“
Marlene gab sich Mühe, sich ihre marodierenden Gedanken nicht anmerken zu lassen. „Natürlich“, erwiderte sie, „nur ist die Mascarpone schon sehr üppig. Sind Sie sicher, dass Sie eine Extraportion brauchen?“
„Oh ja, auf jeden Fall.“ Patrick strahlte regelrecht. „Machen Sie sie bitte extragroß.“
“Okay, kein Problem. Ich bin gleich wieder da.” Marlene ging hastig zu ihrer Theke zurück, bevor er sie noch weiter durcheinander bringen konnte.
„Und? Wie ist er so?“, fragte Heidi neugierig. Sie half dabei, den Kuchen auf einem Teller anzurichten und sah belustigt zu, wie Marlene einen riesigen Berg Schlagsahne in ein Schälchen gab. „Ein Leckermaul, hm?“
„Oh ja. Und was für eins“, erwiderte Marlene leise. Sie sah Patrick an, wie er am anderen Ende des Raumes gelassen in seinem Stuhl fläzte und der Musik lauschte. „Ich frage mich, wie er so schlank bleiben kann.“
„Ist vielleicht so ein Männerding. Hier, alles fertig. Mach mich stolz, Mädel!“
Marlene stieß ihre Freundin leicht mit der Schulter an. „Sehr witzig. Bete lieber, dass ich ihm seinen Anzug nicht versaue. Der sieht nämlich aus, als hätte er ein Vermögen gekostet.“
oOo
Marlene versaute Patrick seinen Anzug nicht und er honorierte den zuvorkommenden Service mit einem großzügigen Trinkgeld. Er versprach außerdem, bald wieder zu kommen. Und wirklich, zwei Tage später trat er am frühen Abend erneut vorsichtig durch die Tür, den Kopf aufmerksam geneigt und nach Schritten potenzieller Crash-Kandidaten lauschend. Marlene fand, dass Patrick diesmal noch umwerfender aussah, offensichtlich frisch geduscht und zurechtgemacht und in einen anthrazitgrauen Anzug gekleidet. Er ließ sich von Heidi einen Tisch
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