Blinde Verführung (German Edition)
Missverständnisse mit seiner letzten Umzugsfirma und unterhielt sie gewandt mit Anekdoten aus seinem gelinde gesagt unkonventionellen Familienleben.
Beinahe unbemerkt tauschte das Personal währenddessen die Vorspeisenteller gegen das Gedeck des Hauptgerichts und räumte eine halbe Stunde später diskret wieder ab.
„Meine Güte“, kicherte Marlene und versteckte peinlich berührt ihr Gesicht in ihrer Serviette, „Ihre Schwester muss echt eine Marke sein.“ Sie blinzelte den Kellner entschuldigend an, der leise und effizient seine Arbeit machte.
„Oh ja, und sie nimmt Asterix viel zu ernst. Leider hat ihr nie jemand gesagt, dass es im wirklichen Leben unfein ist, dem Fischverkäufer schlechte Ware direkt wieder ins Gesicht zu klatschen, selbst, wenn er es verdient hat.“
Marlene verschluckte sich fast bei dem Film, der sofort in ihrem Kopf ablief. „Sind alle aus Ihrer Familie so?“, fragte sie etwas atemlos.
„Meistens nicht, aber manchmal können wir unsere Hippie-Herkunft einfach nicht verleugnen.“ Patrick trank den letzten Schluck Wein in seinem Glas und legte leicht den Kopf schräg. „Möchten Sie noch ein Dessert, Miss Marlene? Der Patissier hier macht ein fantastisches Mousse au Chocolat.“
„Oh, ich würde gern, aber ich kann leider nichts mehr essen. Ich bin pappsatt.“
„Dann vielleicht noch einen Kaffee?“, lockte Patrick. „Wir könnten ihn in meinem Atelier trinken.“
Marlene, die eigentlich keine Lust mehr auf einen Wachmacher hatte, merkte auf. Vor kaum einer Stunde hatte er noch erzählt, dass seine Arbeitsräume mit Ausnahme seiner Modelle und den Manager für Außenstehende tabu waren, und nun bot er es an? „Wirklich? Sie würden es mir zeigen?“
„Nur, wenn Sie es sehen wollen.“
„Sehr gern, Patrick.“ Sein Lächeln ließ eine angenehme Wärme in ihrem Körper aufsteigen und sie senkte schüchtern den Blick. „Dankeschön.“
Nur wenige Minuten später hatte er die Rechnung beglichen und sie umsichtig mit Hilfe seines Stocks aus dem Restaurant navigiert. Marlene hätte ihm geholfen, fand es aber auf merkwürdige Art ansprechend, dass er so unabhängig war und sich für sie beweisen wollte.
Ein Taxi wartete schon auf sie und kutschierte sie in gemächlichem Tempo durch das sommerliche Nachtleben der Stadt. Marlene betrachtete Partygänger und Heimgeher, hörte hier und da Melodiefetzen der Straßenmusik, die an beinahe jeder Ecke gemacht wurde, und genoss die Gerüche nach Blumen, Sommer, Essen und Leben. All die Stimmen und das Gelächter lullten sie ein, so dass sie es fast ein wenig schade fand, so schnell schon vor einem großen, stuckverzierten Stadthaus abgesetzt zu werden.
„Hier unten befinden sich meine Ausstellungsräume, die heben wir uns am besten für den Schluss auf“, sagte Patrick mit einem kleinen Grinsen. „Nicht, dass Sie sich für den Rest des Abends tödlich langweilen, wenn wir das Highlight gleich am Anfang abklappern.“
„Ein Date muss ja nicht nur ein einziges Highlight haben“, lächelte Marlene zurück. „Und bisher war mir nicht eine Minute langweilig, Sie machen das wirklich gut.“
Patricks Grinsen wurde breiter. „Wir wollen den Abend mal nicht vor der Nacht loben, hm? Kommen Sie, hier geht’s zum Hintereingang.“
Marlene folgte ihm durch eine kleine Gasse zur Rückseite des Gebäudes und bestaunte den edel eingerichteten Flur. Gleich die erste Tür zur Rechten führte in Patricks Räume, besser gesagt in eine weitere Art Flur, von dem aus eine hübsche, verschnörkelte Wendeltreppe aus Eisen ins nächste Stockwerk führte.
„Hier oben arbeite ich mit meinen Modellen“, sagte er, während sie hinaufgingen. „Es ist wesentlich wärmer als unten im eigentlichen Atelier, und privater natürlich. Manche kommen von etwas weiter her und bleiben für eine Nacht oder zwei. Glücklicherweise habe ich sechs Zimmer, da kommt man sich nicht zu sehr in die Quere.“
Marlene sog neugierig den Anblick des langen Flurs mit seinem glänzendem Parkettboden in sich auf, steckte die Nase durch alle offenstehenden Türen und entdeckte so einen weitläufigen Raum, der vollgestellt war mit eingewickelten Tonblöcken, Werkzeug, Skizzen, angefangenen Skulpturen in etlichen Größen und tausend anderen Kleinigkeiten, die ein Künstler vermutlich so brauchte.
„Ist es das hier?“, fragte sie.
„Ja. Es sieht schlimm da drin aus, tut mir leid.“
Marlene winkte nur ab und wanderte weiter zur nächsten Tür. Hinter ihr verbarg sich
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