Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
Vom Netzwerk:
auf die Beine und schob sie zu einem Stapel Autoreifen. «Setz dich.»
    Sie sah jetzt, was das Große war. Ein Mensch. Er stand mit über dem Kopf ausgestreckten Armen an der Wand. Oder hing er? Sie konnte es nicht erkennen, es fiel zu wenig Licht in diesen Teil der Werkstatt, und der kleine, verstaubte Baustrahler, dessen Stromkabel sich links von Beatrice am Boden entlangschlängelte, beleuchtete etwas ganz anderes. Ein Foto, das sie kannte, aber um ein Vielfaches vergrößert.
    Blondes Haar, Pferdeschwanz, Zahnlücke. Das Mädchen lächelte spitzbübisch von der Wand, das Bild war mit dem gleichen Gafferband festgeklebt worden, das sich um Beatrices Handgelenke spannte.
    «Sie sind von der Polizei, nicht wahr.» Der Mann fragte nicht, er stellte fest. Trotzdem lag Beatrice ein Nein auf der Zunge, hinter Tina Herberts Fassade fühlte sie sich deutlich sicherer.
    «Ich habe in der Jacke Ihres rothaarigen Kollegen einen Dienstausweis gefunden, und ich wette, wenn ich bei Ihnen ein bisschen suche, kitzle ich auch einen heraus.»
    Von dem, der an der gegenüberliegenden Wand hing, kamen wieder die dumpfen Geräusche, wie durch einen vollgesogenen Schwamm. Es war Ribar, der dort angehängt war, Beatrice war sich so gut wie sicher. Die Größe stimmte, der Körperumfang ebenfalls, und vor allem war es sein Wagen, der vor der Tür stand.
    Wenn Florin es schafft, zu telefonieren und unsere Lage zu schildern, schicken sie uns eine Spezialeinheit. Leise, schnelle Scharfschützen. Bloß kein Blaulicht!
    Die Geräusche, die der Gefesselte von sich gab, wurden lauter, ganz offensichtlich versuchte er, sich durch seinen Knebel hindurch verständlich zu machen.
    Ihr Geiselnehmer fuhr herum und griff nach einem armlangen Schraubenschlüssel. «Du hältst die Klappe und wartest, bis du dran bist», zischte er. Das Werkzeug flog durch die Werkstatt und traf Ribar am Bauch. Er stöhnte auf und wand sich. Wieder das Klirren, er musste mit Ketten festgemacht sein.
    «Also.» Der Mann wischte sich die Hände an seinen Jeans ab und musterte Beatrice mit schiefgelegtem Kopf. «Mit wem habe ich es zu tun?»
    Sie wusste, wo ihr Dienstausweis steckte. In der linken inneren Jackentasche. Ihn zu finden, war sehr leicht, und ihr Gegenüber sah nicht aus, als wäre er zu zimperlich, um gründlich zu suchen.
    «Beatrice Kaspary. Ich bin von der Salzburger Polizei. Aber ich bin auch Tina Herbert. Unter diesem Namen habe ich mich bei Facebook umgesehen.»
    Der Mann hob die Augenbrauen und lächelte, was ihn mit einem Schlag sympathisch aussehen ließ. «Das ist wirklich ein Zufall. Dann sind wir ja unter uns. Tina Herbert und Tina Herbert.» Er deutete erst auf sich, dann auf Beatrice.
    «Sie haben meinen Account gehackt.»
    «Ja. Das ist keine große Sache, wenn man weiß, wie es geht. Ich war erstaunt, dass die echte Tina nach meiner Einmischung das Passwort nicht geändert und sich auch nirgendwo lauthals beschwert hat, aber jetzt ergibt das natürlich einen Sinn. Sie wollten beobachten, was passiert.»
    Sie nickte. Versuchte gleichzeitig, Zusammenhänge herzustellen, verwarf einen nach dem anderen wieder. Tina Herberts Account hatte der Mann gehackt, aber an der Wand hing das Profilbild von Nikola DVD. Das Gespräch zwischen ihr und Tina, die Hinweise auf Forellen und Hitchcock hatten sie hierhergeführt. Ribar wohl ebenfalls.
    «Das Foto verwirrt Sie, nicht wahr?»
    Das tat es. Und vermutlich hatte es Beatrice über Wochen hinweg auf eine falsche Spur geführt. Das Bild eines Mädchens, ein weiblicher Name, und schon formte sich ein klarer Eindruck, setzte sich unverrückbar fest, nahm den Platz ein, den konkrete Ermittlungen nicht hatten besetzen können.
    Nikola. Nikola Tesla. Einer der bekanntesten Erfinder des vergangenen Jahrhunderts. Ein gebürtiger Serbe. Und ein Mann.
    «Sie sind Nikola, nicht wahr?»
    «Ja. Nikola Perkovac.»
    Mein Gott. Kein Wunder, dass Ehrmann sie durchschaut hatte. Ich weiß, dass Nikola in der Stadt ist. Sie hat ein Posting auf Facebook abgesetzt. Spätestens da musste Ehrmann gewusst haben, dass Beatrice keine Ahnung von den Figuren in diesem Spiel hatte.
    Nikola betrachtete sie, abwartend. Dass er seine Identität so bereitwillig preisgegeben hatte, war beunruhigend. Das hieß, dass er nicht plante, sie davonkommen zu lassen. Oder dass er für sich selbst keine Chance sah, die Sache unbehelligt zu überstehen. Das machte ihn zu einem gefährlichen und unberechenbaren Gegner.
    «Sie sind aus dem ehemaligen

Weitere Kostenlose Bücher