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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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viel zu besprechen.» Langsam hob sie die Hände und lächelte. Hoffte, dass ihre Gesichtszüge nicht zittern oder ihr entgleiten würden. «Ich komme jetzt zu Ihnen.»
    Sie sah, wie bleich Florin plötzlich war, und nickte ihm beruhigend zu, in dem Wissen, dass ihn das kein Stück beschwichtigen würde. Aber mit jedem Schritt, den sie auf den Fremden zutat, schrumpfte ihre Angst. Löste sich auf. Zu Unrecht, wie Beatrice wusste, es war nur das Adrenalin, das ihren Körper überschwemmte und sie in diesen merkwürdig schwebenden Zustand versetzte, der ihr Unverwundbarkeit vorgaukelte. Das würde nicht anhalten.
    Sie vermied es, Florin noch einmal anzusehen. «Mach dir keine Sorgen», sagte sie leise.
    Erst, als sie schon fast vor Stefan stand, fielen ihr Jakob und Mina ein und wie unfair es von ihr war, dieses Risiko einzugehen, nur weil sie es für richtig hielt.
    Wenn es schiefgeht, habe ich es hinter mir, aber sie werden lernen müssen, mit der Erinnerung an eine gewaltsam ums Leben gekommene Mutter umzugehen.
    Jetzt daran zu denken, war falsch, ganz falsch. Sie kämpfte darum, sich die Zuversicht zu erhalten, von der sie eben noch erfüllt gewesen war, und konzentrierte sich voll und ganz auf den Mann, in dessen Armen Stefan immer mehr zusammensackte. «Sie können ihn loslassen, okay?»
    «Nicht so schnell. Greif in meine Jackentasche, Tina, dort findest du eine Rolle Gafferband.»
    Sie griff zu, ohne zu zögern. Hielt dem Mann die silbern glänzende Rolle entgegen.
    «Jetzt geh zu deinem dunkelhaarigen Freund und sag ihm, er soll sich neben das Auto knien und mit den Händen rund um die Radfelgen greifen. Dann bindest du ihn dort fest, aber ordentlich, nicht schlampen, ja? Ich kontrolliere das.»
    Sie tat, was er verlangte, beeilte sich sogar, weil sie wusste, dass jederzeit die Kollegen eintreffen konnten. In dem Fall war ein Tausch nicht mehr denkbar, und dann sah sie schwarz für Stefan.
    Florin half ihr, so gut er konnte. Sie wickelte das Klebeband mehrmals um seine Handgelenke, dann führte sie die Rolle einige Male zwischen den Felgen hindurch, fesselte Florin an den Reifen. Es war eine mühevolle Arbeit, aber Beatrice hoffte, dass sie trotzdem das richtige Maß an Festigkeit gefunden hatte. Mit etwas Geduld und Geschick würde er sich befreien können, aber vermutlich würde die Verstärkung früher da sein. Hoffentlich kamen sie leise. Florins Augen waren unverwandt auf sie gerichtet. Seine Lippen formten ein stummes Wort. Einmal. Noch mal. Handy.
    Ja, natürlich, das war gut. Sie veränderte ihre Position so, dass sie die Sicht auf Florin verdeckte, und tat so, als würde sie rüttelnd die Festigkeit der Fesseln prüfen, während sie mit einer Hand in die Brusttasche seiner Jacke fuhr und das Handy zu greifen bekam.
    Der Fremde durfte es nicht gesehen haben, er durfte einfach nicht. Sie widerstand dem Drang, über die Schulter zu schauen und sich zu vergewissern. Mit einer schnellen Bewegung ließ sie das schmale Gerät in Florins Ärmel gleiten, dann richtete sie sich auf und drehte sich um.
    «Fertig», sagte sie. «Gehen wir.»
    «Tina?»
    Den Namen, der nicht ihr eigener war, aus Florins Mund zu hören, berührte sie auf seltsame Art. Sie blieb stehen. «Ja?»
    «Du kommst da heil wieder raus.» Noch nie hatte seine Stimme so geklungen. Tief wie eine Wunde. «Ich weiß das.»
    «Ja. Natürlich.»
    Er versuchte zu lächeln, aber es misslang.
    «Bis gleich.» Sie wandte sich um und ging auf Stefan zu, half, ihn behutsam ins Gras zu legen. Dann betrat sie die Werkstatt.

    Der Stoß zwischen die Schulterblätter kam so überraschend, dass sie kaum Zeit hatte, ihren Fall mit den Armen abzufangen. Warum , wollte sie fragen, doch dazu blieb ihr keine Luft, etwas warf sich mit Wucht auf ihren Körper, drückte sie zu Boden, zwang ihr die Arme auf den Rücken.
    Ein reißendes Geräusch. Ihre Handgelenke wurden aneinandergepresst, umwickelt, mehrmals.
    Sie versuchte, den Kopf zu heben, da war etwas Großes rechts von ihr, vor der Wand, zwischen Schatten, die Mauerrisse oder Werkzeug sein konnten.
    Klirren. Und ein weiteres Geräusch, ein nasses, angestrengtes Röcheln.
    Beatrices Kinn brannte, sie musste es sich beim Sturz auf den rauen Boden aufgeschlagen haben.
    «So.» Das Gewicht verschwand von ihrem Rücken, die hellen Sportschuhe des Mannes kamen in ihr Gesichtsfeld, sein federnder Schritt. Dann kauerte er sich vor sie hin. «Tina Herbert. Ich wusste doch, dass mit dir etwas nicht stimmt.» Er zog sie

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