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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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verschwinden, sie behindern die Polizeiarbeit.» Sie entdeckte Florin, der sich eben neben Drasche stellte, und kletterte die Böschung hinunter.
    «Was wissen wir schon?»
    Florin warf einen schnellen Blick nach oben, wo die Uniformierten es allmählich schafften, der Menge der Schaulustigen Herr zu werden. «Eine Gruppe Radfahrer hat den Toten im Fluss treiben sehen, vom Tauernradweg aus. Sie haben uns gleich verständigt, aber die Leiche ist natürlich weiter abgetrieben worden, und jetzt haben wir sie mitten in der Stadt.»
    Das Boot drehte in der Flussmitte bei, zwei Feuerwehrleute brachten sich in Position. Beatrice blickte sich um, auch von den Brücken waren die Menschen mittlerweile verschwunden. Gut. Sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, als der Körper an Bord gehoben wurde. Ein Mann, wenn sie sich nicht völlig täuschte. Mittelgroß. Die Einsatzkräfte deckten ihn mit einer schwarzen Plane zu, und das Boot machte sich auf den Rückweg zum Ufer.
    «Die dritte Leiche aus der Salzach in den letzten fünfzehn Monaten», brummte Drasche. «Waren alles entweder Betrunkene oder Selbstmorde, aber bis das endlich festgestanden hat! Das Wasser, ich sage euch, das macht so viele Spuren kaputt. Als wäre es nicht so schon schwierig genug.»
    Es klang beinahe, als würden die Menschen sich freiwillig ersäufen, nur um ihn zu ärgern. «Wenn einer trotzdem Spuren findet, dann du, Gerd.» Beatrice stupste ihn freundschaftlich von der Seite an, was ihr einen erstaunt-empörten Blick unter hochgezogenen Augenbrauen einbrachte.
    Er war für plumpe Schmeicheleien noch nie zu haben gewesen, weswegen Beatrice ihm gegenüber besonders verschwenderisch damit umging – wann immer sie in der Stimmung dazu war oder ein Ventil brauchte, um innere Anspannung abzubauen, so wie jetzt.
    Das Boot fuhr langsam ein Stück flussaufwärts, um einen geeigneten Anlegeplatz anzulaufen, und sie folgten ihm die Böschung entlang. Ein junger Arzt stand mit verschränkten Armen an der Landestelle und blickte angestrengt auf den Fluss hinaus.
    Als sie zu ihm traten, lächelte er Beatrice und Florin nervös an, erst bei der Begegnung mit Drasches Blick fiel das Lächeln in sich zusammen.
    Oben an der Straße hielt der Leichenwagen genau in dem Moment, in dem der Tote vom Boot an Land gebracht wurde. Der Arzt kniete sich neben ihn und begann mit seiner Arbeit.
    Beatrice hatte in ihrer Laufbahn schon einige Wasserleichen gesehen. Die, die schon längere Zeit tot waren, sahen entsetzlich aus und rochen furchtbar, viel schlimmer, als es Tote ohnehin taten.
    Der Mann vor ihnen verströmte jedoch noch keinen starken Verwesungsgeruch, und er wirkte nicht allzu entstellt, obwohl sein Gesicht aufgedunsen war und Schürfwunden aufwies, vor allem an der Stirn. Beatrice schätzte ihn auf etwa fünfzig, denn das ansonsten dunkle Haar war an den Schläfen schon grau. Seine Hände waren im Verhältnis zu seiner Körperlänge sehr groß und kräftig. Seine Kleidung …
    Beatrices Puls beschleunigte sich, noch bevor sie begriff, warum. Seine Kleidung.
    Der Mann trug keine Hosen mehr, aber das war es nicht, was Beatrice irritierte. Leichen, die aus fließenden Gewässern gezogen wurden, waren oft halb oder ganz nackt.
    Was ihre Aufmerksamkeit geweckt hatte, war das, was der Fluss übrig gelassen hatte. Ein T-Shirt, darüber eine Jacke. Sie war grün. Auf der linken Brust waren die Buchstaben NY aufgedruckt. Das Y, das wie ein Baum mit zwei starken, gegabelten Ästen durch den Schrägstrich des N hindurchwuchs. Das Logo der New York Yankees.
    Unwillkürlich hielt sie nach der gelben Baseballkappe Ausschau, was natürlich Unsinn war.
    Ich möchte Ihnen etwas erklären, aber es ist schwierig und … ich weiß auch nicht alles.
    Nicht alles, aber immer noch zu viel, wie es schien. Sie rief sich die Stimme auf dem Tonband genauer ins Gedächtnis zurück. Sie hatte mit einem leichten Akzent gesprochen und hektisch. Das konnte durchaus Angst gewesen sein.
    War der Mann deshalb nicht am Bahnhof erschienen, weil ihn vorher jemand zum Schweigen gebracht hatte?
    Sie müssen mir. Versprechen. Das in der Zeitung, wissen Sie … das war kein Selbstmord. Ich helfe Ihnen, und Sie helfen mir.
    Natürlich war es zu früh, um sicher zu sein, und natürlich gab es massenhaft Menschen, die grüne Jacken mit dem New-York-Yankees-Symbol darauf trugen. Aber als Beatrice hochsah und Florins Blick begegnete, erkannte sie, dass er dasselbe dachte. Unser Informant.
    Er

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