Blinde Voegel
zwanzig Postings vier, die die Wiedereinführung der Todesstrafe forderten, und einige mehr, die das barbarisch fanden und erklärten, diese Art von Meinungsbekundungen seien ein Missbrauch von Sarahs Facebook-Seite und sie hätte das sicherlich nicht gewollt.
Schade, dass das Schwein nicht mehr lebt, ich hätte es gern selbst umgebracht, ganz langsam! , erklärte ein gewisser Uwe Volkert. Das gefiel 26 Personen.
Du wirst uns fehlen.
Die Besten gehen immer zuerst.
Das Leben ist so grausamm.
Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen. (Albert Schweitzer)
Du bist jetzt ein Engel und siehst auf uns herab.
Die Mischung aus Aggression und Kitsch, vermischt mit wiedergekäuten Floskeln, deprimierte Beatrice. Wie es wohl Sarahs Eltern damit ging?
Wahrscheinlich sahen sie es nicht. Hoffentlich.
Aus reinem Pflichtgefühl las sie weiter. Beinahe hätte sie aufgestöhnt vor Erleichterung, als das Telefon läutete. Sie stürzte sich förmlich auf ihren Apparat, damit Florin den Anruf nicht vor ihr entgegennehmen konnte.
«Vogt hier. Ich hatte gerade den Mann aus dem Fluss auf dem Tisch.»
Die Formulierung war so seltsam, dass Beatrice einen Moment brauchte, um zu begreifen, was gemeint war. «Sie meinen Rajko Dulović?»
«Ja, exakt. Wenn Sie Zeit haben, könnte ich Ihnen ein bisschen über ihn erzählen.»
Beatrice warf einen Blick auf die Facebook-Seite und klickte sie ohne jegliches Bedauern zu. «Natürlich habe ich Zeit.»
Sie sah, wie Florin die Augenbrauen hob, und zog eine Grimasse in seine Richtung.
«Der Mann war geschätzte eineinhalb Tage lang im Wasser», begann Vogt, «und er ist ertrunken. Waschhautbildung an den Händen, aber noch nicht an den Füßen. Atypisches Ertrinken übrigens, er ist zwischendurch zum Luftholen nicht noch mal aufgetaucht. Könnte an den Substanzen liegen, die er im Blut hatte.»
«Welche Substanzen?»
«Heroin, hauptsächlich. Plus ein paar Analgetika, die er zusätzlich geschluckt hat. Die Kombination muss ihn ziemlich ausgeknipst haben.»
Doch ein Fall aus dem Drogenmilieu? Beatrice versuchte, den Widerwillen zu ignorieren, den der Gedanke in ihr verursachte. Es fühlte sich an, als ob man sie zwänge, in falscher Richtung in eine Einbahnstraße zu fahren.
«Gibt es Zeichen äußerer Gewalteinwirkung?», fragte sie.
Vogt schnaubte. «Jede Menge, aber das ist die Crux mit Wasserleichen. Die Treibverletzungen überdecken alles andere, und Dulović muss eine ganze Zeit lang unter Wasser festgehangen haben, wahrscheinlich mit seiner Hose, die dann irgendwann zerrissen ist.»
«Was ist mit den Abschürfungen im Gesicht?»
Es raschelte, vermutlich wickelte Vogt gerade einen Schokoriegel aus dem Papier. «Die sind ganz typisch für Wasserleichen. Die Stirn schrammt über den Flussboden. Ich suche weiter, aber seien Sie nicht enttäuscht, wenn ich keine Zeichen für Fremdeinwirkung finde.»
«Danke. Ich gebe mir Mühe.»
«Gern geschehen.» Es klang ein wenig undeutlich, aber immerhin schmatzte Vogt nicht.
«Heroin», erklärte Beatrice, nachdem sie aufgelegt hatte. «Vogt meint, dass Dulović im Drogenrausch ertrunken ist.»
Florin schüttelte kaum merklich den Kopf.
«Denkst du, dass wir es doch mit zwei voneinander unabhängigen Fällen zu tun haben? Hier die Kurzschlusshandlung eines unglücklich Verliebten – oder eines Dritten, eines eifersüchtigen Liebhabers von Sarah, der die beiden verfolgt und tötet? Wäre auch eine Variante, der wir nachgehen sollten. Und auf der anderen Seite der Unfall eines Dealers, der zu viel Gefallen an seinem eigenen Zeug gefunden hat?»
Florins Kopfschütteln wurde heftiger. «Nein. Obwohl mein einziges Gegenargument eine grüne Jacke ist.»
Helen Crontaler Habe meine Beziehungen ein wenig spielen lassen und muss unsere Vermutungen leider bestätigen. Der Mann, der seine Begleiterin erwürgt und sich dann selbst erschossen hat, ist wirklich Gerald Pallauf gewesen. Mein Gott!
Ren Ate Wie furchtbar. Danke, dass du uns Bescheid gibst. Wisst ihr, ich frage mich dann immer, ob wir nicht hätten helfen können.
Ira Sagmeister Nein. Hättet ihr nicht.
Ren Ate Entschuldige bitte, Ira, aber woher willst du das wissen?
Christiane Zach Auch wenn es schrecklich ist, was er getan hat, so zünde ich doch in Gedanken eine Kerze für ihn an.
Boris Ribar Wirklich schlimm. Ich stelle meine Kerze neben die von Christiane.
Dominik Ehrmann Ich dachte es mir. Keine Überraschung, aber trotzdem entsetzlich.
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