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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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ihr offensichtlich unangenehm. «Das ist – ich fand, ich wäre es der Gruppe schuldig, und da habe ich meine Beziehungen ein bisschen spielen lassen. Mein Mann und ich kennen eine Menge Leute, und einer davon wusste Bescheid.»
    «Würden Sie mir den Namen sagen?»
    Sie biss sich auf die Lippen. «Jemand von der Staatsanwaltschaft. Dr. Gellmann.»
    Der Name sagte Beatrice nichts, aber Florin verzog den Mund. «Verstehe. Dann lassen Sie uns in medias res gehen. Was wissen Sie über Gerald Pallauf? Haben Sie ihn je persönlich getroffen?»
    Sie tat, als müsse sie kurz überlegen. «Man könnte es so sagen, wir waren einmal im gleichen Raum, haben aber kaum ein Wort miteinander gewechselt. Es war ein Treffen, das ich organisiert hatte, weil doch so viele Mitglieder unserer Gruppe aus Salzburg kommen.»
    «Wie war Ihr Eindruck von ihm?»
    Wieder überlegte sie und sprach dann langsam, sichtlich bedacht, die richtigen Worte zu wählen. «Er war sehr sympathisch. Optisch hätte er viel mehr aus sich machen können, aber Sie wissen ja, heute gibt es viele Leute, die nur vor dem Computer leben.» Sie räusperte sich. «Gerald hatte Humor und mochte zum Beispiel die Gedichte von Robert Gernhardt sehr. Wir hatten vor wenigen Monaten eine amüsante Diskussion über Ringelnatz, die können Sie nachlesen.»
    Hatte Crontaler selbst das auch getan? Oder erinnerte sie sich wirklich noch daran, dass Pallauf dabei gewesen war? Bei fast achthundert Mitgliedern in ihrer Gruppe? Ihre Gastgeberin nippte an ihrer Tasse, und Beatrice ergriff die Gelegenheit, ihr die Frage zu stellen, die ihr schon längst auf der Zunge lag. Mal sehen, ob Madame sich gleich am Tee verschlucken würde.
    «Sagt Ihnen der Name Sarah Beckendahl etwas?»
    Crontaler verschluckte sich nicht. Sie trank und stellte ihre Tasse wieder ab. «Nein. Tut mir leid.» Erst jetzt dämmerte ihr der vermutliche Hintergrund der Frage, und sie blinzelte. «Ist das – der Name des Opfers?»
    «Ja», übernahm Florin. «Sarah Beckendahl ist die Frau, die erdrosselt neben Gerald Pallauf gefunden worden ist. Und sie war ebenfalls in Ihrer Gruppe registriert.»
    Falls Helen Crontaler ihre Überraschung nur spielte, tat sie das ungemein überzeugend. Beatrice konnte förmlich zusehen, wie die Nachricht in ihr arbeitete, wie sie ihr Gedächtnis abtastete, ohne fündig zu werden.
    «Sind Sie sicher? War sie unter ihrem eigenen Namen angemeldet?»
    «Ja.» Florin nahm einen Schluck aus seiner Tasse. «Eigener Name und ein sehr gut erkennbares Profilfoto. Blond, sehr hübsch.»
    Crontalers Kopfschütteln begann langsam und beschleunigte sich allmählich. «Leider. Ich kann mich nicht an sie erinnern. Hat sie überhaupt je etwas in der Gruppe gepostet?»
    Beatrice suchte im Stapel mit den ausgedruckten Facebook-Seiten und zog drei Blätter hervor. «Hier. Ich habe insgesamt vier Einträge von Sarah gefunden, mehr nicht, und keiner davon sehr aussagekräftig.»
    Crontaler las mit gerunzelter Stirn, hielt dann plötzlich inne und legte einen der Papierbögen auf den Tisch. «Doch. Jetzt erinnere ich mich – meine Güte, ich dachte damals, ich sehe nicht richtig.»
    Es war Beckendahls Kommentar auf die Strophe, die eine gewisse Sabine Scharrer aus Ludwig Tiecks «Melancholie» zitiert hatte, um damit ihren Liebeskummer zu illustrieren.
    Tut mir leid, das du traurig bist, auch wenn wir uns nicht kennen. Bei uns in der Straße wachsen auch wilde Rossen.
    «Zuerst dachte ich, es sei ein übler Witz und das Mädchen wolle Sabine ärgern – was gemein gewesen wäre, denn ihr ging es damals wirklich schlecht. Erst dann habe ich begriffen, dass sie die Rechtschreibung einfach nicht beherrscht.» Crontaler strich sich den Rock glatt. «Ehrlich gesagt, habe ich kurz überlegt, sie aus der Gruppe auszuschließen, denn ich will unter den Mitgliedern ein gewisses Niveau halten. Aber mein Mann sagt immer, dass Kunst und Bildung allen zugänglich sein sollen, und damit hat er selbstverständlich recht.»
    Sie hielt das Papier mit beiden Händen vor sich, als wäre es ein Notenblatt, von dem sie singen wollte. «Glauben Sie, dass Gerald und dieses Mädchen ein Verhältnis hatten?»
    «Glauben Sie das denn?», fragte Florin.
    Sie lächelte ihn beinahe verschämt an. «Spontan würde ich nein sagen. Aber man weiß nie, wovon Menschen sich angezogen fühlen.» Helen Crontaler legte das Blatt zurück auf den Tisch und sprang fast gleichzeitig auf.
    «Mein Mann ist nach Hause gekommen. Vielleicht wollen

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