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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Ira zu ihrem Motto erklärt hatte, folgten noch drei weitere, keine von ihnen optimistischer als die erste. Für heute reichte es. Beatrice verließ Sagmeisters Profil und kehrte noch einmal zur Lyrik-Seite zurück. Mittlerweile war die Anzahl der Kommentare auf siebenundsechzig angewachsen, doch kein einziger wies auf eine persönliche Bekanntschaft des jeweiligen Schreibers mit Gerald Pallauf hin. Und noch immer hatte niemand das erdrosselte Opfer mit Sarah Beckendahl in Verbindung gebracht.

    Dafür drehte sich am nächsten Morgen im Büro alles um Sarah. Die Kollegen aus Hannover hatten im Umfeld des Mädchens recherchiert und ihre Ergebnisse nach Salzburg geschickt.
    Der Bericht zeichnete das Bild einer sprunghaften und sehr lebenshungrigen jungen Frau mit wechselnden Beziehungen, derzeit Single. Einer ihrer Exfreunde hatte sie als «auf der Suche nach dem Prinzen» beschrieben. Das Nagelstudio, in dem sie arbeitete, war da sicher kein geeignetes Jagdrevier, deshalb war sie viel in Clubs unterwegs gewesen und hatte Online-Dating-Plattformen genutzt.
    «Wer hier im Raum kann sich vorstellen, dass Sarah in Gerald Pallauf ihren Prinzen gefunden hat?» Beatrice schaute erst Florin, dann Stefan an. Letzterer kaute an einem Donut, den langen, dünnen Körper an die Wand neben dem Drucker gelehnt.
    «Isch finde schowiescho, dasch Frauen immer auf scheltschame Typen fliegen», nuschelte er mit vollem Mund.
    Beatrice stützte sich mit den Unterarmen auf die Tischplatte. «Das kann schon sein, aber wenn, dann sind sie auf eine andere Art seltsam.» Sie blätterte in den zusammengehefteten Seiten. «Keiner ihrer Freunde, niemand aus ihrer Familie wusste, dass sie nach Salzburg fahren wollte. Sie hat es niemandem erzählt. Warum?»
    Florin lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück und verschränkte die Finger. «Möglicherweise war es ihr unangenehm, gerade weil Pallauf so gar nicht dem Prinzenklischee entspricht.»
    «Aber sie kannten sich ja noch gar nicht!» Wieder blätterte Beatrice, auf der Suche nach der richtigen Stelle. «Da! In der Liste ihrer Handyverbindungen kommt Pallaufs Nummer nicht vor. Es gab keinen Mailwechsel. Wenn sie sich nicht von Telefonzelle zu Telefonzelle angerufen haben, kannten sie sich nicht.»
    Es war zum Aus-der-Haut-Fahren. Die Lyrik-Gruppe blieb die einzige, hauchdünne Verbindung zwischen den beiden Toten, und selbst dort hatten sie nie direkt miteinander zu tun gehabt.
    «Pallauf gehörte übrigens zu denen, die den Namen ‹Facebook› wörtlich nehmen und ihr Gesicht ins Profil stellen. Er hat nichts geschönt, es ist kein Foto, in das jemand wie Sarah sich vergucken würde.» Sie hielt den Bericht hoch. «Nicht, wenn wir glauben, was hier drinsteht. Demzufolge war ihr gutes Aussehen bei ihren Bekanntschaften nämlich durchaus wichtig.»
    «Sie hatten nie Kontakt, aber trotzdem steht Sarah eines Tages bei Gerald vor der Tür, und er lässt sie rein.» Florins Blick ging in die Ferne, als könne er die Szene dort beobachten. «Sie wohnt bei ihm, und keiner von beiden ist misstrauisch. Pallauf nicht, dass Sarah ihn eventuell bestehlen will –»
    Beatrice konnte ein Auflachen bei der Erinnerung an die verwüstete Wohnung nicht unterdrücken.
    «… und Sarah nicht, dass Pallauf sich nachts zu ihr ins Bett schleichen könnte», fuhr Florin ungerührt fort. «Untertags sind beide ständig unterwegs, hat der Mitbewohner uns erzählt, dieser …»
    «Sachs.»
    «Genau. Der von nichts etwas mitbekommen haben will. Stefan?»
    So plötzlich angesprochen, verschluckte Stefan sich beinahe. «Ja?»
    «Rede du doch noch mal mit Sachs. Ihr seid fast im gleichen Alter, und ihr seid beide Computerfreaks.»
    «Also …»
    «Freaks im besten Sinne, kein Grund, empört zu sein. Versuch mal, aus ihm herauszukitzeln, ob er nicht doch noch mehr weiß. Zum Beispiel, was Sarah Beckendahl in Salzburg wollte und was genau sie gesagt hat, als sie vor der Tür stand. Verbrüdere dich ein wenig mit ihm. Okay?»
    Stefan leckte sich klebrigen Donut-Zuckerguss von den Fingern. «Ich gebe mein Bestes.»

    Auf Sarahs Facebook-Seite häuften sich bereits die Trauerbekundungen. Obwohl Beatrice wusste, dass die Kollegen aus Deutschland diesen Strang der Ermittlungen bereits verfolgten, wollte sie sich einen eigenen Überblick verschaffen: Meldete sich jemand aus der Lyrik-Gruppe? Erging sich jemand in Anspielungen, die man deuten musste?
    Nein, es machte nicht den Eindruck. Allerdings zählte sie allein in den ersten

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