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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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betrachtete sie die letzten Tropfen, die sich am Boden sammelten, und wünschte sich, den Wein mehr genossen zu haben. Er war sicher gut gewesen. Florin war inzwischen an die Stereoanlage getreten und wog nun je eine CD in den Händen. «Klassik oder Jazz?»
    «Mag ich beides.»
    Er seufzte. «Du bist eine echte Entscheidungshilfe.»
    «Okay. Wenn es Schubert oder Mahler ist, Klassik. Sonst Jazz.»
    Kurz darauf erfüllten Saxophon- und Klavierklänge die Penthousewohnung. Beatrice protestierte nicht, als Florin ihr das Glas ein weiteres Mal halb voll schenkte. «Du erinnerst dich an mein Gästezimmer?»
    Das tat sie, mit gemischten Gefühlen. Auch wenn Florin ihr bei ihrer bislang einzigen Übernachtung hier nicht einmal andeutungsweise nahegetreten war, so hatte die Nacht ihrem Empfinden nach doch etwas zwischen ihnen verändert. Sie war einer der Gründe dafür, warum sie Annekes Anruf heute als so unangenehm empfunden hatte.
    Apropos. Noch kein Ton von Anneke an diesem Abend. Dafür schon die ersten drei Rückmeldungen auf Tina Herberts Posting.
Christiane Zach Bist du auch aus Salzburg, Tina? Oder warst du hier zu Besuch?
Helen Crontaler Ich wüsste gerne, wieso du Ira gerade dieses Gedicht widmest. Ich finde die Wahl eigenartig, wie schon die von Nikola. Vom Foto ganz zu schweigen.
Phil Anthrop Es ist ein Gedicht, das von den Zurückgelassenen erzählt. Von denen, die nicht fortgeflogen sind, also von uns. Ich finde es schön.
    Im Geiste zog Beatrice den Hut vor Phil, der Rilkes Versen so schnell eine passende Bedeutung hatte überstülpen können.
Tina Herbert Danke, Phil Anthrop. So war es gemeint. Und ja, ich bin auch aus Salzburg. So gut wie, jedenfalls. Ich glaube, mein Posting ist in Iras Sinn.
    Sollte Helen ruhig protestieren, dann würde Tina sie auf Iras eigene kryptische Beiträge hinweisen.
    «Und?» Florins Arm lag auf der Sofalehne, kaum zwei Zentimeter von Beatrices Schulter entfernt. «Ist schon etwas Interessantes passiert?»
    Sie betrachtete seine Hand, die langen Finger, die entspannte Haltung. Wirklich schön. «Noch nicht. Crontaler hat ein wenig gemotzt, und die katzenliebende Krankenschwester wollte wissen, ob ich aus Salzburg bin.»
    Beatrice griff nach den Tellern, die noch auf dem Couchtisch standen. «Ich räume das mal schnell weg, okay? Und dann sollte ich wohl doch nach Hause fahren. Es wird gehen, ich habe ja kaum etwas getrunken.»
    «Lass die Sachen stehen, du musst nicht …»
    «Ich will aber.» Sie trug das Geschirr in die Küche und verstaute danach die Reste des Abendessens im Kühlschrank. Was war es nur, das ihren Fluchtreflex weckte? Anneke und das unerwähnte Telefonat, das Beatrice beim besten Willen nicht zur Sprache bringen konnte? Zum ersten Mal ist er gerne wieder nach Hause gefahren. Er redet viel von Ihnen.
    Und dann diese Einladung, perfektes Timing.
    Beatrice ließ sich Zeit damit, ins Wohnzimmer zurückzukehren, wo Florin sie mit prüfendem Blick erwartete. «Du hast doch etwas. Habe ich dich beleidigt? Irgendetwas Dummes gesagt?»
    «Nein.» Es gab keine Erklärung, die sie über die Lippen gebracht hätte. Und Anneke lag ohnehin falsch – Florin machte keineswegs den Eindruck, als wäre er scharf darauf, für Beatrice mehr als ein guter Freund zu sein. So, wie er jetzt dasaß, wirkte er vor allem müde.
    «Danke für das Abendessen, es war perfekt. Ich hebe mein Glas auf die gefüllten Paprika, die ich mir sonst hätte aufwärmen müssen.» Sie nahm einen letzten, winzigen Schluck Wein und griff nach dem Notebook. Entdeckte in der oberen Leiste der geöffneten Facebook-Seite ein hervorgehobenes Icon. Die Sprechblase, die das Eintreffen einer persönlichen Nachricht anzeigte. Daneben eine weiße Eins in einem roten Quadrat. Es gab Neuigkeiten für Tina Herbert.
Dominik Ehrmann Liebe Tina! Mir wurde gerade erst klar, dass du auch aus Salzburg bist, so wie Ira. Ich möchte zu ihrer Trauerfeier kommen und werde für ein paar Tage in der Stadt sein. Können wir uns treffen? Mir liegt viel daran.
Herzliche Grüße, Dominik
    Der sozial engagierte Lehrer mit dem sympathischen Profilbild. Kaum hatte Beatrice ein wenig auf den Busch geklopft, schon meldete er sich.
    «Klingt, als wäre es ihm wirklich wichtig, nicht?» Sie schob das Notebook näher zu Florin. «Was hältst du davon?»
    Er las und klopfte dabei leicht mit dem Zeigefinger gegen seine Unterlippe. «Wir sollten ihn auf jeden Fall treffen.»
    «Wir? Nein, Florin. Tina Herbert geht allein, und Stefan soll

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