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Blinde Wahrheit

Blinde Wahrheit

Titel: Blinde Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shiloh Walker
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ernsthaft Konkurrenz. Wie bist du zum Kochen gekommen? Wolltest du schon immer in die Branche?«
    »Willst du das wirklich wissen?« Sie schmunzelte.
    Ihr Lächeln weckte seine Neugier. »Und ob.«
    »Ich wollte meine Mom wütend machen.«
    »Deine Mom?«, wiederholte Ezra verblüfft und ließ die Gabel sinken. »Wie um alles in der Welt bringt man mit einer Chefkochmütze seine Mom auf die Palme?«
    »Tja, als Köchin kommt man mit Dingen wie scharfen Messern und heißen Herdplatten in Berührung«, entgegnete Lena. Sie grinste amüsiert – amüsiert und auch ein klein wenig boshaft. »Für sie kam diese Tatsache für jemanden, der nichts sieht, mit einem Todesurteil gleich. Sie ist eine ziemliche Glucke.«
    »Und dein Vater?«
    Lena seufzte, und das Lächeln auf ihren Lippen erstarb. »Er ist tot. Ein Unfall, als ich zwölf war.« Geistesabwesend rieb sie sich die Augen hinter den getönten Gläsern. »Dad hat mich immer dazu ermutigt, alles zu tun, was ich wollte und konnte. Mom war da skeptischer, aber Dad hat sie stets dazu gebracht, es mich einfach probieren zu lassen. Nachdem er dann gestorben war, na ja … da ist sie mir nicht mehr von der Seite gewichen, hat mich nicht einen Schritt allein machen lassen. Kennst du diese Fernsehsendungen, in denen solche überängstlichen Mütter gezeigt werden? Denen hätte meine Mom noch was beibringen können.«
    Sie wandte ihm das Gesicht zu und schnitt eine Grimasse. »Nicht gerade der ideale Gesprächsstoff für ein Date, was?«
    »Wer sagt das?« Er knuffte sie in die Seite. »Ich genieße unsere Unterhaltung. Sie schlägt den einfältigen Mist, den ich mir schon so oft habe anhören müssen, um Längen.«
    »Einfältiger Mist?« Ihr düsterer Gesichtsausdruck wich langsam einem Lächeln. »Zehn Punkte für kreatives Vokabular, Ezra. Aber vielleicht können wir uns ja trotzdem erfreulicheren Themen zuwenden. Was bringt dich nach Ash?«
    Kein besonders erfreuliches Thema , schoss es Ezra durch den Kopf. Er versuchte dennoch, möglichst locker zu antworten. »Ich habe bis vor ein paar Monaten in Lexington gewohnt und mir jetzt eine Auszeit vom Job genommen. Und da mir von Gran das Haus hinterlassen worden ist, habe ich beschlossen, herzukommen. Das Gebäude verfällt langsam, es muss dringend etwas dagegen getan werden. Und wenn ich ohnehin hier bin, kann ich das auch ruhig allein erledigen.«
    »Und bleibst du länger?«
    »Das versuche ich noch für mich herauszufinden«, antwortete Ezra leise.
    Irgendetwas in seiner Stimme ließ Lena aufhorchen.
    Sie kannte ihn zwar nicht gut genug, um seinen Tonfall deuten zu können, doch sie nahm seine Anspannung wahr. Und da sie neben ihm saß, konnte sie spüren, wie er sich kurz verkrampft hatte, bevor er die Beherrschung wiedererlangte.
    Aber sie würde nicht weiter nachbohren.
    Noch nicht jedenfalls.
    Vielleicht bot sich die Gelegenheit, wenn er sie noch einmal zu einer Verabredung bat …
    Es war ein nettes, unkompliziertes Rendezvous.
    Sogar richtig angenehm , dachte Ezra, als er Lena hinaus auf die Veranda folgte, die um das alte Haus herumführte. Er genoss es, mit ihr zu reden, sie anzuschauen … und wenn sie ihn zwischendurch anlächelte … tja, da wurde es dann doch kompliziert. Jedes Mal, wenn sie es tat, spürte er einen merkwürdigen Stich in der Brust.
    Wie in diesem Augenblick zum Beispiel. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen das Geländer, der Wind blies ihr die dunklen, schimmernd roten Strähnen ins Gesicht, und sie zog ihre Mundwinkel ganz leicht nach oben. Als hätte sie ein Geheimnis.
    Oder auch viele Geheimnisse. Ezra überquerte die Veranda, blieb dreißig Zentimeter vor Lena stehen und betrachtete ihr rätselhaftes Lächeln.
    Es war dem der Mona Lisa ähnlich, stellte er fest. Und endlich verstand er auch, warum es über Jahrhunderte hinweg die Menschheit so faszinierte. Man wollte herausfinden, was dieses Lächeln wohl ausgelöst hatte … Ja, er hätte einige Zeit damit verbringen können, Lenas Geheimnisse aufzudecken.
    »Das Essen war sehr lecker«, sagte er stattdessen nur und steckte die Hände in die Hosentaschen, da er irgendetwas mit ihnen anfangen musste, um nicht der Versuchung zu erliegen, Lena das Haar aus dem Gesicht zu streichen. Sobald er sie berührte – auch wenn es eine noch so kurze und harmlose Berührung wäre – würde er vielleicht Blut lecken, mehr wollen, und so weit durfte es an diesem Abend nicht kommen, das war klar.
    Er wollte frustrierende Erfahrungen auf jeden Fall

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