Blinde Wahrheit
»Ich hab zwar ein Auto, aber es steht in der Garage. Da drin ist ja Platz für einen ganzen Fuhrpark.«
»Law und seine Spielzeuge«, murmelte Lena.
»Wenn jemand also glaubt, Law sei wie üblich allein, dann wird er sich nicht besonders kritisch umsehen«, folgerte Ezra. Er rieb sich das stoppelige Kinn. Mann, er hatte dringend eine Dusche nötig und musste sich mal wieder rasieren. Dann brauchte er ungefähr fünf Stunden Schlaf und ein paar Dutzend Tassen Kaffee. Er stieß einen Seufzer aus und schaute zu Hope.
Nein, man konnte sie wirklich nicht mit Law verwechseln. Aber wenn der Täter sie gar nicht richtig zu Gesicht bekommen hatte … Ezra schloss die Augen und rief sich den Anblick des Hauses bei ihrer Ankunft in Erinnerung.
Das Licht hatte gebrannt. Die Vorhänge waren zugezogen gewesen – und zwar überall, wenn er sich richtig erinnerte.
»Als wir vor dem Haus geparkt haben, waren die Vorhänge geschlossen«, sagte er und warf Hope einen Blick zu.
Sie nickte. »Ja. Ich hatte in ziemlich vielen Räumen Licht angemacht, aber die Vorhänge waren zu.«
»Wie konntest du dann den Mann draußen sehen?«, fragte Lena sanft.
»Ich hab rausgeschaut.« Sie starrte in die Ferne. »Laws Haus ist eben ungewohnt für mich, so groß und still. Nachts ist es noch schlimmer. Ich bin von einem Raum zum nächsten gewandert und dann ins Wohnzimmer gegangen. Die Übergardine an einem der Fenster … der Stoff hatte sich an der einen Seite verdreht.« Sie schnitt eine Grimasse. »Ich bin da ein bisschen komisch. Ich wollte es richten, und dann hatte ich so ein … ich weiß nicht.«
Sie leckte sich über die Lippen. Mit gedämpfter Stimme fuhr sie fort. »Kennt ihr das, wenn man plötzlich eine Gänsehaut kriegt? Wenn man auf einmal ein richtig, richtig schlechtes Gefühl hat? Genau so ging es mir. Ich lugte zwischen den Vorhängen aus dem Fenster, und da habe ich ihn gesehen.«
»Bist du sicher, dass es ein Mann war?«, fragte Ezra.
»Ja.« Hope nickte und schaute auf ihre Hände. »Er hat sich wie ein Mann bewegt. Er war schon ziemlich nah an der Werkstatt, kurz vor der Tür. Sein Kopf war fast auf einer Höhe mit dem Türrahmen – so groß sind die meisten Frauen nicht.«
Ezra lächelte sie an. »Du hast eine gute Beobachtungsgabe, Hope.«
Darauf erwiderte sie nichts, starrte ihn nur ernst mit vor Angst geweiteten grünen Augen an. Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. »Das wird schon«, sagte er leise. »Law hat sich nicht mal in diesem Bundesstaat aufgehalten. Er wird keinerlei Schwierigkeiten bekommen.«
Sie sah nicht sehr überzeugt aus.
Lena fuhr mit der Hand an der Sofakante entlang, bis sie gegen Hopes Bein stieß. Sanft tätschelte sie ihr das Knie. »Entspann dich. Law wird schon nichts passieren.« Dann lächelte Lena kess in Ezras Richtung. »Weißt du was, das Ganze ist fast wie meine persönliche Version von Law & Order oder so.« Sie zwinkerte ihm zu. »Irgendwie sexy.«
Zu seiner Überraschung stieg Ezra die Röte ins Gesicht und es wurde noch schlimmer, als er bemerkte, wie Hope ihn und Lena neugierig betrachtete. »Hm, klar, so eine Ermittlung ist total sexy«, nuschelte er und stand auf.
Hinter seinem Rücken sagte Lena zu Hope: »Ich fürchte, ich habe ihn in Verlegenheit gebracht. Ist er rot geworden?«
»Ähm … ja. Ein bisschen, glaube ich.«
»Verdammt.« Ezra fuhr sich mit den Händen übers Gesicht und warf Lena einen bösen Blick zu. Den konnte sie zwar nicht sehen, aber spüren, jede Wette. Sie hatte ein schelmisches Lächeln auf den Lippen, schelmisch und ohne Anzeichen von Reue.
»Und, ist er niedlich, wenn er rot wird, Hope?«
Jetzt errötete Hope und starrte konzentriert auf ihre Hände. Unwillentlich musste Ezra lachen. »Lena, jetzt hast du Hope auch noch in Verlegenheit gebracht.«
Ihrem Grinsen nach zu urteilen, war genau das ihre Absicht gewesen – die junge Frau neben sich auf andere Gedanken zu bringen.
»Wahrscheinlich machst du es noch schlimmer, indem du es ansprichst«, gab Lena zurück. »Ezra, setz doch mal Kaffee auf.«
Es klang, als wollte sie ihn loswerden, aber das war ihm im Augenblick egal. Koffein war wahrscheinlich das Letzte, was ihre müden, vernebelten Gehirne gerade brauchten. Trotzdem kam es ihm ganz gelegen, ein paar Minuten für sich allein zu haben.
Um nachzudenken.
Und sich einen Plan zurechtzulegen.
Eine Frau war tot.
Wenn das dieselbe Frau war, deren Schreie Lena vor ein paar Tagen gehört hatte, dann gab es ein ernstes
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