Blinde Wahrheit
Tatort entfernte, um seinen Magen zu entleeren.
Prather sah ebenfalls ein bisschen grün um die Nase aus und seine Augen funkelten vor Zorn, doch leider machte er keine Anstalten zu gehen.
Zu schade. »Ich hab’s immer gesagt, Reilly ist ein kranker Wichser«, wiederholte Prather. »Ich hab’s immer gesagt.«
Ezra, dem der Schädel von zu wenig Schlaf und zu vielen Fragen brummte, konnte sich nicht mehr zurückhalten. »Reilly war’s nicht.«
Prather kniff die Augen zusammen. »Da scheinen Sie sich ja ziemlich sicher zu sein.«
»Allerdings«, sagte Ezra. Verflucht, er dufte doch wohl eine private Meinung in dieser Angelegenheit haben. Er hatte nichts mit der Sache tun und war hier auch nicht für die Ermittlungen zuständig. Außerdem wusste er mit hundertprozentiger Sicherheit, dass Law es nicht getan haben konnte.
»Ganz sicher?«
Hinter Prather setzte Nielson gerade an, seinen Deputy zurechtzuweisen, doch Ezra begegnete dem Blick des Sheriffs und schüttelte leicht den Kopf. Nielson hob eine Augenbraue, schwieg aber.
»Ja. Ganz sicher.« Er stieß sich von der Hauswand ab und ging neben der Leiche in die Hocke. Sie war jung – viel zu jung – , und irgendwer hatte dieses kurze Leben auf brutale und schmerzhafte Weise beendet.
Vor wenigen Stunden war sie noch am Leben gewesen.
»Na dann, Mister Superbulle, lassen Sie mich Ihnen mal was erklären, was Sie, schlau wie Sie sind, eigentlich schon längst kapiert haben sollten: Das hier ist ein sogenannter Tatort. Wir haben hier eine Leiche und das Grundstück gehört Reilly. Also ist er der Hauptverdächtige.«
Ohne auf Prather einzugehen, wandte Ezra sich an Nielson. »Haben Sie Handschuhe?«
Kommentarlos reichte der Sheriff ihm sein Paar.
Ein freudloses Lächeln legte sich auf Ezras Lippen, als er sah, wie sich das Blut im unteren Teil ihres Körpers gesammelt hatte. Es überraschte ihn nicht, dass sich die Leiche immer noch warm anfühlte, auch wenn sie rasch abkühlte.
Mitleid und Zorn stiegen in ihm auf, während er die Prellungen betrachtete, die auch ihr Gesäß verunstalteten.
Hoffentlich finden sie das Schwein, das dir das alles angetan hat, Süße , dachte Ezra traurig.
Mehr tat er nicht. Es handelte sich nicht um seinen Fall, er war hier für nichts zuständig und er hatte auch noch nie in einer Mordsache ermittelt. Aber er kannte die Grundregeln. Diese Frau war noch nicht lange tot. Law war schon seit Tagen nicht in der Stadt. Ezra zog die Handschuhe aus, knüllte sie zusammen und schaute Prather an.
»Sie sind ein Idiot«, sagte er knapp. »Der beschissenste Polizist, den ich je gesehen habe, und ich hab schon so einige gesehen.«
»Sie verfluchter Hurensohn … «
Ezra ignorierte ihn einfach und sah zu Nielson. »Sie haben vermutlich eine ganze Reihe von Fragen an Law Reilly, das hätte ich an Ihrer Stelle auch. Aber die müssen Sie vielleicht noch einmal überdenken. Law Reilly ist seit drei Tagen verreist. Außer Lena, mir und seiner Bekannten, die gerade zu Besuch ist, wusste das niemand. Also«, er schenkte Prather ein dünnes Lächeln, »ich als Superbulle sag Ihnen mal, womit Sie es hier zu tun haben … Es handelt sich auf jeden Fall um Mord. Aber das Ganze ist ein Täuschungsmanöver. Und ich wette fünfzig Mäuse, dass sie nicht hier umgebracht wurde.«
Es gab Zeiten, da jagte eine verdammte Katastrophe die nächste, und man wusste gar nicht, welcher man zuerst ausweichen sollte.
Anscheinend hatte Law gerade so eine Woche erwischt.
Er ließ das Handy sinken und starrte es einen Augenblick lang verständnislos an. Das konnte nur ein Scherz sein. Dann hielt er sich den Hörer wieder ans Ohr.
»Ich soll was?«
Lena seufzte. »Leg auf und ruf die Nummer an, die ich dir gegeben habe, aber nicht vom Handy aus. Nimm ein Festnetztelefon«, wiederholte sie müde. »Mehr kann ich dir auch nicht erklären.«
So, konnte sie also nicht. Er hörte die ohnmächtige Wut in ihrer Stimme und wusste, er musste auflegen und ihrer Aufforderung folgen, aber erst … »Lena, sag mir nur, dass Hope okay ist.«
»Es geht ihr gut, Law. Ihr ist nichts passiert, glaub mir.«
Als er die Nummer wählte, die Lena ihm genannt hatte, ging Sheriff Dwight Nielson ans Telefon und er gab ungefähr so bereitwillig Auskunft wie Lena. Dass er einen Ordnungshüter an der Strippe hatte, war gar kein gutes Zeichen. Law lief es eiskalt den Rücken hinunter.
»Danke für Ihren Anruf, Mr Reilly. Ich muss Sie leider bitten, unverzüglich nach Hause zu kommen.
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