Blinde Wahrheit
letzten Augenblick, kurz bevor ihn irgendetwas am Hinterkopf getroffen hatte.
Als er Schritte hörte, schaute er auf. Nielson war im Begriff, das Zimmer zu verlassen.
»Ich sehe aus, als wäre ich unter einen Laster geraten, oder?«, fragte Law leise. Er wusste Bescheid – am Morgen hatte er zum ersten Mal sein Spiegelbild gesehen. Er war nicht einmal bis zur Toilette gekommen, ohne sich an dem verfluchten Infusionsständer festzuhalten.
»Sie sehen … ziemlich ramponiert aus.« Nielson blieb im Türrahmen stehen.
»Ramponiert … so fühlt es sich auch an.« Law betrachtete seinen rechten Unterarm. Gebrochen. Die Ärzte vermuteten, dass es passiert war, als er einen Hieb gegen seinen Kopf abgewehrt hatte. Letzten Endes würde er also doch gezwungen sein, dieses verhasste Diktiergerät zu benutzen. »Man muss einiges an Kraft aufbringen, um jemanden so zuzurichten, selbst mit einem Baseballschläger.«
Mit einem Blick zum Sheriff fragte er leise: »Sieht Hope aus, als hätte sie die körperliche Kraft dazu?«
»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich sie nicht für die Täterin halte«, erwiderte Nielson. »Was wollen Sie denn noch?«
»Überzeugen Sie Jennings von ihrer Unschuld. Lassen Sie nicht zu, dass er sie festnimmt, Nielson. Reden Sie es ihm aus, wenn er einen Haftbefehl ausstellen will. Ich sage Ihnen, sie wäre nicht imstande, das zu verkraften. Hope ist bereits durch die Hölle gegangen, so etwas würde nur noch mehr Schaden bei ihr anrichten.«
Nielson seufzte. »Ich werde sehen, was ich tun kann, aber die Leute hier wollen Rache. Der halbe Ort ist davon überzeugt, dass Ihre Freundin diese Frau in Ihrer Werkstatt umgebracht hat. Himmel, für Hope wäre es möglicherweise sogar sicherer, ein paar Tage im Gefängnis zuzubringen – dann könnten sich die Gemüter ein bisschen beruhigen. Ich glaube nicht, dass Remy sie ernsthaft verdächtigt, wir müssen jedoch nach der Beweislage vorgehen, Reilly, nicht nach unserem Bauchgefühl.«
»Dann finden Sie richtige Beweise … und nicht die Brotkrumen, die irgendein krankes Arschloch Ihnen hinstreut.«
Daraufhin schloss er die Augen. Er war nicht müde, aber er musste sich ausruhen und gesund werden. Heute konnte er dieses Zimmer nicht verlassen, schließlich hatte er es kaum bis zum Badezimmer geschafft. Aber bald schon – hoffentlich morgen – würde er hier hinausspazieren.
So schnell wie möglich würde er Remy Jennings aufsuchen und dem Wichser die Fresse polieren. Zum Glück war seine Linke fast genauso gut wie seine Rechte.
Eingesperrt.
Die Tür war nicht abgeschlossen, aber davon ließ sie sich nicht täuschen. Sie war hier eingesperrt.
Hope rollte sich auf dem Bett zusammen, starrte auf die kahlen weißen Wände und versuchte, nicht zu denken.
Solange sie das nicht tat, hielt sie es einigermaßen aus.
Lena war vorhin hereingekommen und hatte ihr erzählt, was die Krankenschwestern ihr verschwiegen.
Law ging es gut. Er war aufgewacht und konnte sprechen.
Das war das Wichtigste.
Es ging ihm gut.
Zwei verschiedene Psychiater hatten versucht, mit ihr zu reden, doch Hope hatte die Nase voll von Seelenklempnern.
Sie war nicht verrückt und wollte es auch nicht mehr eingeredet bekommen. Das alles hatte sie schon einmal durchlebt, weshalb sie sich fast sicher war, dass sie lieber sterben würde, als das Ganze erneut über sich ergehen zu lassen.
Fast sicher.
Wenn sie allerdings die abheilenden, sauber vernähten Wunden an ihren Handgelenken sah, packte sie die Wut.
Eine Täuschung – diese Wunden waren eine Täuschung.
Sie hatte das nicht getan. Egal, was die Ärzte ihr erzählten, was auch immer behauptet wurde, sie hatte sich nicht die Pulsadern aufgeschnitten. Das war ihr von jemand anderem angetan worden.
Law.
Nein. Du darfst nicht über ihn nachgrübeln …
Doch sie konnte es nicht sein lassen.
Sie musste an ihn denken, hatte das Bedürfnis, mit ihm zu reden und es ihm zu erzählen. Da war etwas Wichtiges. Aber zu überlegen, fiel ihr so schwer … Das lag an diesem ganzen Mist, den sie ihr verabreichten. Immer wenn sie glaubte, sie könnte wieder klar denken, tauchten sie wieder auf und … Oh nein …
Die Tür ging auf.
Tief in ihrem Innersten fing ein namenloser Teil von ihr an zu schaudern und zu zittern.
Es war wieder die Krankenschwester. Und sie hatte zwei Pfleger im Schlepptau.
Beruhigungsmittel.
Sie wollten sie wieder betäuben.
Hope zog die Knie an und nahm sich fest vor, sich nicht zu wehren. Sie hielten
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