Blinde Wahrheit
Law verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich in den Torbogen zwischen Flur und Wohnzimmer. »Oder warte, streich das wieder. Mich stört tatsächlich etwas – wenn du sie gar nicht anrufen wolltest, warum hast du es ihr dann erst versprochen?«
Mist! Ezra seufzte wieder. »Findest du nicht, dass das eine Sache zwischen ihr und mir ist?«
»Nicht, wenn sie darunter leidet«, antwortete Law leise.
»Sie ist schon ein großes Mädchen. Sie braucht wohl kaum jemanden, der ständig um sie herumscharwenzelt und pustet, wenn es wehtut.« Er wandte sich ab und starrte aus dem Fenster. Sie hatte Blumen gepflanzt, farbenfrohe Flecken zierten hier und da den Rasen. »Aber ich hatte wirklich vor, sie anzurufen. Mir ist bloß im Nachhinein aufgegangen, dass es wohl besser für sie wäre, wenn ich es nicht täte.« Er warf Law einen Blick über die Schulter zu, bevor er fortfuhr. »Aber auch das ist nicht das Problem, was du mit mir hast. Oder besser gesagt, das trifft es nicht ganz. Sie interessiert sich für mich, und ob ich sie nun angerufen habe oder nicht, du wirst immer einen Grund finden, mich nicht zu mögen. Du hast Augen im Kopf. Du siehst, dass ich etwas von ihr will. Aber ich habe ebenfalls Augen im Kopf und meinerseits gesehen, dass du in sie verknallt bist. Der Punkt ist nur, dass sie es anscheinend nicht bemerkt … In meinem Fall allerdings schon.«
Wut flackerte in Laws Augen auf. »Sie ist eine tolle Frau. Sie hat es verdient, gut behandelt zu werden. Und es gehört sich nicht, sie hinzuhalten.«
»Da stimme ich dir zu. Und deswegen habe ich sie auch nicht angerufen.«
»Du hast nicht angerufen, weil du wusstest, dass du sie sonst hinhalten würdest?«, fragte Law mit finsterer Miene.
Ezra rieb sich die Augen. Warum hatte er das Thema überhaupt angeschnitten?
»Nein. Ich habe sie nicht angerufen, weil ich mich nicht vollkommen auf sie einlassen kann, solange ich keinen klaren Kopf besitze. Aber ich verstehe immer noch nicht, was dich das eigentlich angeht. Wir wollten schließlich nicht heiraten. Wir hatten gerade einmal ein einziges Date, nachdem sie mir ihre Nummer gegeben hat. Es wäre ja auch möglich gewesen, dass wir uns nach einer weiteren Verabredung auf den Tod nicht hätten ausstehen können.«
Auch wenn Ezra wusste, dass dies eher unwahrscheinlich war.
In den vergangenen drei Wochen hatte er viel über Lena nachgedacht, und seit sie sich im Büro des Sheriffs noch einmal begegnet waren, hatte sie fast jeden seiner Gedanken beherrscht. Himmel, eigentlich war das vom allerersten Augenblick an so gewesen. Würde er an so etwas wie Liebe auf den ersten Blick glauben, dann wäre es wohl um ihn geschehen.
»Hoffentlich findest du selbst deine Worte glaubwürdiger als ich«, entgegnete Law kopfschüttelnd. Er schaute die Treppe hinauf, dann wieder zu Ezra.
»Kann ich leider nicht behaupten«, brummte der. Er konnte noch so viel von Freundschaft reden, es würde nichts helfen. Er wollte nicht ihr Freund sein – jedenfalls nicht nur.
Auf einmal musste er grinsen, und als er zu Law herüberblickte, bemerkte er, dass es ihm ähnlich ging.
»Und, was treibst du hier? Spielst du den Chauffeur? Oder willst dich vergewissern, dass ich mich benehme? Dass ich meine Hände bei mir behalte? Dass sie ihre Hände bei sich behält?«
Law schnaubte. »Bei dieser einen Verabredung hast du nicht sonderlich viel über sie gelernt, oder? Lena lässt sich so leicht nichts ausreden. Nicht, wenn sie es sich einmal in den Kopf gesetzt hat.« Er warf einen weiteren Blick zur Treppe, dann seufzte er. »Ich mache mir einfach nur Sorgen um sie und möchte sie im Auge behalten.«
Da dämmerte Ezra, was los war. Auch wenn er es eigentlich nicht wollte, verspürte er auf einmal Anerkennung für diesen Mann. »Du passt auf mich auf. Sie hört Schreie, und dann taucht plötzlich ein Unbekannter auf und glaubt ihr eine Geschichte, an der alle anderen zweifeln – das hat dein Misstrauen geweckt.« Mit breitem Grinsen musterte er seinen Konkurrenten. »Und, liege ich richtig, hab ich’s getroffen?«
»Genau ins Schwarze.« Law stieß sich von der Wand ab und schlenderte ins Wohnzimmer. »Eigentlich können wir uns auch hinsetzen. Wie ich sie kenne, wird Lena wohl noch ein bisschen brauchen.« Er ließ sich auf das Sofa fallen und richtete seinen Blick, aufmerksam und klug wie er war, sofort wieder auf Ezra. »Ich kenne ein paar Jungs bei der State Police, die in Berea stationiert sind.«
»Ach ja?« Ezra
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