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Blinde Weide, Schlafende Frau

Titel: Blinde Weide, Schlafende Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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beständig. Gab es einen Guss, setzte sie sich in ihr Auto und sah in den strömenden Regen. Sobald es aufhörte, nahm sie wieder ihren Platz am Strand ein und schaute aufs Meer.
    Seither besuchte Sachi Hanalei jedes Jahr um diese Zeit. Sie kam kurz vor dem Todestag ihres Sohnes an und blieb drei Wochen, in denen sie von ihrem Plastikstuhl am Strand aus die Surfer beobachtete. Mehr tat sie nicht. Sie saß nur den ganzen Tag am Strand. So ging es zehn Jahre lang. Sie wohnte im selben Cottage, aß allein im selben Restaurant und las dabei. Da sie jedes Jahr kam, lernte sie einige Leute kennen, mit denen sie auch über persönliche Dinge sprach. Die Stadt war klein, und viele kannten sie vom Sehen. Sie war bekannt als die japanische Mom, deren Sohn von einem Hai getötet worden war.

    Eines Tages, sie war auf dem Rückweg vom Flughafen in Lihue, wo sie ein schlechtes Mietauto umgetauscht hatte, sah sie in Kapaa vor Onos Family Restaurant zwei junge japanische Anhalter. Sie hatten große Sporttaschen über der Schulter und hielten zaghaft die Daumen in Richtung Straße. Der eine war groß und schlaksig, der andere klein und stämmig. Beide hatten braun gefärbtes schulterlanges Haar, trugen ausgeblichene T-Shirts, weite Shorts und Sandalen. Zuerst fuhr Sachi an ihnen vorbei, dann überlegte sie es sich anders und drehte um.
    Sie ließ das Fenster herunter. »Wohin wollt ihr?«, fragte sie auf Japanisch.
    »Ah, Sie sprechen Japanisch!«, sagte der Lange.
    »Ja, ich bin Japanerin. Also wohin?«
    »In einen Ort namens Hanalei«, sagte der Lange.
    »Da fahre ich hin. Wollt ihr mit?«
    »Das wäre toll!«, sagte der Stämmige.
    Sie luden ihre Taschen in den Kofferraum und schickten sich an, auf den Rücksitz von Sachis Neon zu klettern.
    »Moment mal, ihr könnt nicht beide hinten sitzen«, sagte sie. »Ich bin schließlich kein Taxi. Einer von euch muss vorne sitzen. Das gehört sich so.«
    Nach einigem Hin und Her beschlossen sie, dass der Lange vorne sitzen sollte.
    »Was ist das für ein Wagen?«, fragte er, während er umständlich versuchte, seine langen Beine unterzubringen.
    »Das ist ein Dodge Neon von Chrysler«, antwortete Sachi.
    »Ich wusste gar nicht, dass es in Amerika so mickrige Autos gibt. Da hat ja der Corolla von meiner Schwester mehr Platz.«
    »Die Amerikaner fahren auch nicht alle Cadillac.«
    »Ja, aber der hier ist echt mini.«
    »Ihr könnt ja aussteigen, wenn es euch nicht passt«, sagte Sachi.
    »So habe ich es doch nicht gemeint. Gar nicht! Ich hab mich nur gewundert. Ich dachte, in Amerika sind alle Autos groß«, sagte er.
    »Und was habt ihr in Hanalei vor?«, fragte Sachi unterwegs.
    »Hauptsächlich Surfen«, sagte der Lange.
    »Und wo sind eure Bretter?«
    »Wir wollen uns hier welche besorgen«, sagte der Stämmige.
    »Es ist zu umständlich, sie aus Japan mitzubringen. Wir haben gehört, man kann hier ganz günstig gebrauchte kaufen«, sagte der Lange. »Und Sie? Machen Sie hier Urlaub?«
    »Ja.«
    »Allein?«
    »Genau«, sagte Sachi leichthin.
    »Aber Sie sind nicht eine von diesen Surferlegenden?«
    »Wirklich nicht!«, sagte Sachi unwillig. »Wisst ihr schon, wo ihr in Hanalei übernachten wollt?«
    »Nein, wir dachten, wir finden schon was, wenn wir dort sind.«
    »Notfalls können wir noch immer am Strand schlafen«, sagte der Stämmige. »Wir haben sowieso nicht viel Geld dabei.«
    Sachi schüttelte den Kopf. »Um diese Jahreszeit wird es nachts ziemlich kalt an der Nordküste. Man kann sogar im Haus einen Pullover vertragen. Wenn ihr draußen schlaft, erkältet ihr euch nur.«
    »In Hawai ist doch immer Sommer, oder?«
    »Hawai gehört zur nördlichen Halbkugel. Das heißt, es gibt vier Jahreszeiten. Heiße Sommer und kühle Winter.«
    »Dann ist ein Dach über dem Kopf wohl doch besser«, sagte der Stämmige.
    »Könnten Sie uns vielleicht was empfehlen?«, fragte der Lange. »Unser Englisch ist nicht gerade überragend.«
    »Wir hatten zwar gehört, in Hawai käme man überall mit Japanisch durch. Klappt aber nicht«, sagte der Kleinere.
    »Natürlich nicht!« sagte Sachi entrüstet. »Das geht nur in Oahu, und auch da nur in dem Teil von Waikiki, wo es diese Massen von japanischen Touristen gibt, die Louis-Vuitton-Taschen und Chanel No. 5 kaufen und wo die Läden deshalb japanische Verkäufer anheuern. Und im Hyatt und im Sheraton dort. Sonst geht es nur mit Englisch. Schließlich sind wir in Amerika. Ihr seid nach Kauai gekommen und hattet davon keine Ahnung?«
    »Nee, null.

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