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Blinde Weide, Schlafende Frau

Titel: Blinde Weide, Schlafende Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Meine Mutter hat gesagt, in Hawaii sprechen alle Japanisch.«
    »Du meine Güte«, sagte Sachi.
    »Wir können ruhig im billigsten Hotel im Ort wohnen«, sagte der Kleinere. »Weil wir doch kein Geld haben.«
    »Neuankömmlinge sollten nicht im billigsten Hotel von Hanalei wohnen«, warnte Sachi. »Da kriegt ihr nur Ärger.«
    »Wieso?«, fragte der Lange.
    »Hauptsächlich wegen Drogen«, sagte Sachi. »Unter den Surfern gibt es ein paar schwere Jungs. Marihuana geht ja noch, das Gefährliche ist Ice.«
    »Ice? Was ist das?«
    »Nie gehört«, sagte der Lange.
    »Ahnungslose Lämmer wie ihr sind fette Beute für diese Typen. Ice ist eine harte Droge, irgendein kristallines Aufputschmittel. Es ist billig, man kommt leicht ran, und es tut gut. Aber wer abhängig wird, ist so gut wie tot.«
    »Klingt wirklich gefährlich«, sagte der Lange.
    »Aber Marihuana kann man rauchen?«, erkundigte sich der Stämmige.
    »Ob ihr das könnt, weiß ich nicht, jedenfalls bringt es die Leute nicht um. Nicht wie Zigaretten. Ihr werdet nur ein bisschen daneben, aber das wäre kein Unterschied zu jetzt.«
    »Gehören Sie vielleicht zu diesen Achtundsechzigern?«
    »Achtundsechzigern?«
    »Ja, sind Sie Mitglied der Achtundsechziger-Generation?«
    »Ich gehöre zu keiner Generation und bin auch kein Mitglied. Ich bin nur ich. Werft mich bitte nicht mit irgendwelchen Leuten in einen Topf.«
    »Doch doch, Sie gehören bestimmt dazu. Sie nehmen gleich alles so ernst. Genau wie meine Mutter.«
    »Und mit deiner unsäglichen Mutter wirfst du mich auch nicht in einen Topf!«, sagte Sachi. »Auf alle Fälle übernachtet ihr lieber in einem anständigen Hotel in Hanalei. Das ist gesünder. Ab und zu werden hier sogar Leute umgebracht.«
    »Nicht gerade ein friedliches Paradies«, sagte der Kleine.
    »Die Zeiten von Elvis sind lange vorbei«, sagte Sachi.
    »Keine Ahnung, wie die waren, aber Elvis Costello ist bestimmt schon uralt«, sagte der Lange.
    Eine Weile fuhr Sachi, ohne etwas zu sagen.

    Sachi sprach mit dem Geschäftsführer ihrer Hotelanlage, und er gab den beiden ein Zimmer. Durch ihre Vermittlung bekamen sie es etwas billiger. Dennoch kostete es mehr, als sie gerechnet hatten.
    »Geht nicht«, sagte der Lange. »So viel Geld haben wir nicht.«
    »Längst nicht«, sagte der Kleine.
    »Aber ihr müsst doch etwas für Notfälle dabeihaben?«, sagte Sachi.
    Der Lange kratzte sich unbehaglich am Ohrläppchen. »Schon, ich habe eine Diner’s-Club-Karte, aber mein Vater hat gesagt, ich darf sie nur im absoluten Notfall benutzen. Er denkt, wenn ich sie einmal benutze, kann ich nicht mehr aufhören. Wenn ich etwas abhebe, und es ist kein Notfall, kann ich was erleben, wenn ich zurückkomme.«
    »Sei nicht blöd«, sagte Sachi. »Das ist ein Notfall. Hol die Karte raus, wenn dir dein Leben lieb ist. Wenn die Polizei dich aufgreift, kommst du ins Gefängnis. Und du willst doch nicht, dass ein schwuler Hawaianer dich für eine Nacht zu seiner Freundin macht, oder? Wenn dir so was gefällt, ist es natürlich etwas anderes. Aber es tut ziemlich weh.«
    Hastig zog der Junge die Karte aus seinem Portemonnaie und reichte sie dem Geschäftsführer. Sachi erkundigte sich nach einem Laden, in dem sie sich billig Surfbretter kaufen konnten.
    »Wenn sie abreisen, nimmt der Laden die Bretter zu einem vernünftigen Preis wieder zurück«, erklärte der Geschäftsführer. Die Jungen stellten ihr Gepäck ab und machten sich sofort auf den Weg dorthin.
    Als Sachi am nächsten Morgen wie üblich am Strand saß und aufs Meer schaute, tummelten sich die beiden Jungen schon mit ihren Surfbrettern in den Wellen. Im Gegensatz zu dem hilflosen Eindruck, den sie am Tag zuvor gemacht hatten, schienen sie gute Surfer zu sein. Hatten sie eine hohe Welle entdeckt, erklommen sie ihren Kamm und glitten anmutig und in voller Körperbeherrschung auf den Strand zu, unermüdlich, stundenlang. Sie sahen sehr lebendig aus, wie sie so auf den Wellen ritten. Ihre Augen strahlten, sie hatten Selbstvertrauen. In Japan verbrachten sie wahrscheinlich auch jede freie Minute im Wasser und vernachlässigten die Schule – genau wie Sachis toter Sohn.

    Mit Klavierspielen hatte Sachi erst auf der Oberschule angefangen. Davor hatte sie nie ein Klavier angerührt. Irgendwann hatte sie begonnen, nach dem Unterricht auf dem Instrument im Musiksaal herumzuklimpern, und es dauerte nicht lange, bis sie sich beigebracht hatte zu spielen. Es stellte sich heraus, dass sie das absolute Gehör

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