Blinde Zeugen: Thriller
Meiden wie die Pest! « Es gehörte zu einer kleinen Reihe von vier schäbigen Geschäften im Herzen von Sandilands, umgeben von Sozialwohnungen, die aussahen wie zu Stein gewordene Depressionen. Vor der Mini-Ladenzeile gammelte ein schlaglochübersäter Parkplatz vor sich hin, garniert mit einem ausgebrannten Abfallbehälter, von dem sich eine Spur aus geschmolzenem und erstarrtem Plastik über den grauen Asphalt zog. Das Wettbüro lag zwischen einem Lebensmittelgeschäft und der verstaubten Leiche einer Videothek mit Sperrholzplatten vor den Fenstern. Eine Dönerbude schloss die Reihe ab. Alle Ladenfronten waren mit mehreren Schichten Graffiti bedeckt, nur die des Turf ’n Track nicht. Seine verdunkelten Fenster und der grün-gelbe Schriftzug waren wie neu. Niemand legte sich mit den McLeods an. Und wenn, dann nur ein Mal.
Die ganze Gegend wirkte heruntergekommen und verwahrlost, einschließlich der kleinen Schar von Rotznasen, die sich am Rand des Parkplatzes versammelt hatte, um die Schlägerei zu beobachten.
Logan fuhr mit quietschenden Reifen auf den Bordstein, sprang in die warme Nachmittagsluft hinaus und rief: »POLIZEI!«
Niemand schenkte ihm auch nur die geringste Beachtung.
DI Steel schälte sich aus dem Beifahrersitz und steckte sich eine Zigarette an. Sie blies eine lange Rauchfahne aus, während sie den Blick über die Szene schweifen ließ. Sechs Männer waren damit beschäftigt, sich gegenseitig zu Brei zu schlagen. »Kennen Sie einen von denen?«, fragte sie.
Alle trugen Jeans und T-Shirts, und alle verteilten hemmungslos Schläge und Tritte. Immer wieder stürzte sich einer ins Getümmel, rammte irgendwem die Faust ins Gesicht und trat dann rasch den Rückzug an. Amateure.
Steel deutete auf einen der Beteiligten, einen aknegesichtigen Lümmel mit blutiger Unterlippe, der gerade ausholte, um einem fetten Kerl mit Topffrisur einen Haken zu verpassen. »Der da, das Pickelgesicht. Ich bin sicher, dass ich den schon mal wegen Dealerei einkassiert hab.«
Logan machte noch einen Versuch: »POLIZEI! AUSEINANDER!«
Irgendwer landete einen Volltreffer, was die Zuschauer mit vereinzelten Bravorufen kommentierten.
»AUSEINANDER, HAB ICH GESAGT!«
Steel legte Logan die Hand auf den Arm. »Bringt’s irgendwie nicht, die Schreierei, oder?«
Logan ging zwei Schritte auf das Tohuwabohu aus fliegenden Fäusten und Turnschuhen zu, aber Steel zog ihn energisch zurück. »Machen Sie keinen Quatsch – mag sein, dass das alles feige Waschlappen sind, aber aus Ihnen machen die allemal Hackfleisch.«
»Wir können doch nicht einfach seelenruhig dasitzen und –«
»Doch, können wir.« Steel hievte sich auf die Motorhaube des Einsatzwagens und ließ die Füße baumeln. »Kommen Sie – keiner von denen hat eine Waffe. Also hocken Sie sich schon auf Ihren Hintern und genießen Sie die Vorstellung. Unsere uniformierten Freunde werden schon früh genug mit ihren phallischen Schlagstöcken hier aufkreuzen und die ganze Bagage zusammenknüppeln.« Sie schnippte zwei Zentimeter Asche auf den rissigen Asphalt. »Haben Sie das Curry schon gegessen?«
»Ja, hab ich … zum Mittagessen.«
»Und?«
»Sagen Sie Susan, es war sehr lecker. Bisschen scharf, aber gut.«
»Sie sind mir vielleicht ein Weichei. Das nächste Mal soll sie Ihnen ein schönes Softie-Korma machen.«
Wieder fand eine Faust ihr Ziel, und diesmal stimmte DI Steel in den Jubel ein, klatschte in die Hände und rief: »Nicht schlecht! Saubere Arbeit, Mann! Und jetzt tritt ihm in die Eier!« Sie sah auf die Uhr. »Wo bleiben bloß die Streifenhörnchen? Diese faulen Säcke –«
Wie aufs Stichwort begann in der Ferne eine Sirene zu heulen. Das Geräusch kam näher.
»Ach, sieh mal einer an.« Steel wies über den Parkplatz auf den Eingang des Turf ’n Track. Ein kräftig gebauter Mann stand auf der Schwelle, halb im Schatten: Mitte dreißig, ein Gesicht wie eine Schüssel Porridge, ein halb abgerissenes Ohr, gewaltige Schultern, jede Menge Muskeln mit leichter Tendenz zur Verfettung. »Der Chef ist zu Hause. Sollen wir mal eben Hallo sagen? Vielleicht kredenzt er uns ja ein Tässchen Tee und ein paar Jaffa-Kekse?«
»Sie sind ja optimistisch. Das Letzte, was Simon McLeod mir angeboten hat, war ein Tritt in den Hintern.«
»Passen Sie gut auf, da können Sie noch was lernen …« Sie rutschte von der Motorhaube herunter, schlenderte fröhlich pfeifend um das Schlachtfeld herum und steuerte auf die Tür des Wettbüros zu. »Tag, Simon, wie
Weitere Kostenlose Bücher