Blinde Zeugen: Thriller
ihm über die Schulter zu linsen. »Wer ist das denn?«, fragte er und deutete auf das Foto einer Frau im Bikini mit Dellen in den Oberschenkeln.
Der Constable zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Aber die Titten sind nicht übel.«
»Ist Finnie da drin?«
» Aye – und er sieht aus, als hätte ihm jemand in die Schuhe geschissen.«
Logan räusperte sich. »Muss ich Sie daran erinnern, Constable, dass Sie über unseren Vorgesetzten sprechen?«
»Deswegen ist er trotzdem ein sarkastisches Arschloch.«
Da hatte er allerdings recht.
Logan stieß die Tür auf und betrat das hell erleuchtete Krankenzimmer. Lubomir Podwoiski lag reglos im Bett, die Augenpartie mit weißem Verbandmull bedeckt. In seinem linken Handrücken steckte ein Morphiumtropf. Finnie und eine Polizeidolmetscherin hatten ihre Stühle links und rechts an das Bett herangerückt, und der DCI saß mit verschränkten Armen da, während die Dolmetscherin gerade etwas ins Polnische übersetzte.
Nach einer langen Pause murmelte Podwoiski eine Antwort. Die Dolmetscherin beugte sich weit vor und hielt ihr Ohr einen Zentimeter vor die Lippen des blinden Mannes. Und dann runzelte sie die Stirn. »Er sagt, er kann sich nicht erinnern.«
Finnie presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. »Fragen – Sie – ihn – noch – mal.«
Die Dolmetscherin seufzte. »Ich frage ihn doch schon seit –«
»Ich sagte: Fragen Sie ihn noch mal. «
»Na schön. Wie Sie wollen.« Sie sprach auf Polnisch weiter.
Der DCI blickte auf und sah Logan in der Tür stehen. »Wo sind Sie gewesen?«
»Ich musste meilenweit vom Eingang parken. Soll ich –«
»Nein. Gehen Sie zu der Frau, und reden Sie mit ihr. Sie erinnern sich doch? Ich meine die, die dank Ihnen eine Kugel im Bauch hat. Wäre ganz gut, zu wissen, warum sie dort war und was sie genau gesehen hat.«
»Aber –«
» Heute noch, Sergeant.«
»Ja, Sir.«
Sie sah aus, als wäre sie aus Porzellan, die bleiche Haut von violetten Blutergüssen verunstaltet. Trotzdem konnte man noch erkennen, dass sie einmal hübsch gewesen war, bevor das alles passiert war …
Über ein Gewirr von Drähten und Schläuchen war sie mit einer Batterie von Apparaten verbunden. Nur das leichte Heben und Senken ihres Brustkorbs – das Werk des Respirators neben ihrem Bett – störte die Stille.
Logan winkte eine Schwester heran und fragte sie nach dem Befinden der Patientin.
»Nicht so toll.« Die Schwester warf einen Blick auf das Krankenblatt am Fußende des Betts. »Die Kugel hat Dickdarm und Dünndarm durchschlagen und die Unterseite der Milz gestreift … Erst die Wirbelsäule hat sie gestoppt. Die Ärzte wollen abwarten, ob sie sich noch ein bisschen stabilisiert, ehe sie versuchen, das Projektil zu entfernen. Sie hat eine Menge Blut verloren.«
»Haben Sie eine Ahnung, wer sie ist?«
»Sie hat das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt.« Die Schwester hängte das Krankenblatt wieder ans Bett. »Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, als dass sie Anfang zwanzig ist. Ansonsten ist sie für uns Patientin X.«
»Verdammt …« Logan deutete auf den Nachttisch, wo ein Plastikkrug mit Wasser stand. »Kann ich mir mal eins von den Gläsern ausleihen?«
»Wozu?«
»Ich habe kein Fingerabdruck-Set dabei.« Logan streifte sich ein Paar Latexhandschuhe über, nahm ein Glas und wischte es mit einem Zipfel der Bettdecke sauber. Dann griff er nach der rechten Hand der Frau, öffnete sie und rollte das Glas sorgfältig über ihre Fingerkuppen.
Er stand da und starrte ihr Handgelenk an. Eine purpurrote Verfärbung, ungefähr einen Zentimeter breit, zog sich rings um den Arm. Das andere Handgelenk sah genauso aus. »Verdammt …«
Logan stellte das Glas zurück. »Helfen Sie mir, das Bettlaken rauszuziehen. Ich will mir ihre Fußknöchel ansehen.«
»O nein, kommt nicht in Frage. Da muss ich bloß hinterher das Bett neu machen. Ich habe auch noch andere Patienten zu versorgen.«
Aber Logan hörte ihr gar nicht zu; er war schon dabei, das Laken herauszuzerren. Er schlug es zurück, und ein bleiches Beinpaar kam zum Vorschein. Die Knöchel wiesen die gleichen ringförmigen Blutergüsse auf. »Wurde ein Vaginalabstrich gemacht?«
»Was? Nein, wieso sollten wir –«
»Diese Blutergüsse an den Hand- und Fußgelenken. Sie ist gefesselt und verprügelt worden. So ein hübsches Mädchen – glauben Sie wirklich, die Täter hätten sich damit begnügt?«
»Ich hole einen Arzt.«
3
»Und was genau haben Sie sich
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