Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
irgendwo bei Kalifornien, in der Gegend. Melrose ließ ein paarmal eine leere Landkarte von Amerika in seinem Kopf entstehen, konnte aber nur Baltimore irgendwo einordnen. Es lag in der Nähe von New York City. Und Kalifornien. Natürlich wußte er, wo das war. Die Hände noch voll Krumen (die die Schwäne nun eifrig einforderten), versuchte er, New Mexico auf der Landkarte in seinem Kopf auszumachen. Wie ein Kind beim Eselsspiel mit einer Binde vor den Augen irrte er hilflos umher. Dann stach er in Gedanken zu. Da!
    Wo war der Obdachlose her gewesen? Aus Baton Rouge, genau. Wo war das? Baton Rouge, ein erlesener Name. Jury war schuld an dieser leeren Karte. Wenn Jury ihn mitgenommen hätte, wüßte er jetzt, wo diese dämlichen Orte und Bundesstaaten lagen.
    Er warf die letzten Krumen ins Wasser und wischte sich die Hände ab. Die herrischen Schwäne machten sämtliche Versuche der Enten, diese Köstlichkeiten zu erwischen, zunichte. Was für Rüpel, dachte Melrose und beschloß, sich nicht immer selbst zu bemitleiden. Jury hatte wohl doch recht: Melrose war bestimmt nützlicher, wenn er hier dasselbe Feld noch einmal beackerte, mit denselben Leuten redete und seine eigenen Eindrücke sammelte. Neue Hinweise, die waren wichtig. Er blieb an der kalten feuchten Flußböschung stehen und bedachte seine bisherigen Ergebnisse.
    Aber er konnte immer nur an Miss Fludd denken.
    Und an Turners schwarzen Hund.
    Von weiter weg vernahm er gedämpfte Stimmen -die Zuschauer verließen das Theater, strömten über den Parkplatz, die Bürgersteige und die vielen kleinen Sträßchen. Und würden gleich das Dirty Duck überschwemmen, also konnte Melrose es sich schenken und sofort zurück ins Hotel gehen.
    Er nahm den Weg über die Ryland Street. An Jenny Kenningtons kleinem Haus blieb er stehen und inspizierte die Fenster. Dunkel.
    Er hatte das Gefühl, als laste der unendliche Druck der Zeit auf ihm. Er schlug sich den Mantelkragen hoch, weil die Nacht so neblig war, und dachte wieder an New Mexico und ob die Sonne dort jetzt unter- oder aufging.
33
    Filmsonne.
    Was hätten sie gemacht, wenn das Licht nicht mitgespielt hätte, überlegte Jury, als er zur Straße hinabschaute. Die Sangre-de-Cristo-Berge schienen zum Greifen nah zu sein, und über ihren Gipfeln ergoß sich das Licht in hellen Pastellfarben und tauchte die Unterseiten der Wolken in Gold.
    Dieser abstruse Gedanke kam ihm, während er auf der breiten Steintreppe des Rancho del Reposo stand und beobachtete, wie die Filmcrew etwas weiter weg arbeitete. Schwache, unverständliche Stimmen drangen durch die kalte Luft, von der schmalen Landstraße her, wo Filmleute mit Armbewegungen und Megaphonen den Verkehr umleiteten. Was in der Hauptsache darin bestand, ab und zu ein Auto von der schmalen asphaltierten Fahrbahn auf noch schmaleren Feldwegen in die Pampa zu schicken. Aber die Fahrer schien das nicht zu stören, die meisten fuhren an den Straßenrand, gesellten sich zum Filmvolk und schauten zu.
    Das Rancho del Reposo war eine Wucht und hätte jeden Cowboy in Entzücken versetzt: eine reiche (wenn auch nicht unbedingt geschmackvolle) Mischung unterschiedlicher Baustile - maurisch, westernmäßig, spanisch, modern mit viel Glas. Rote Ziegeldächer, Adobewände mit handgemalten spanischen Kacheln, ein Glasanbau, der wie ein Gewächshaus aussah und ein Restaurant beziehungsweise ein gemütliches kleines Café war. Es war durch einen von Kakteen und Wüstengräsern gesäumten Säulengang mit dem Hauptgebäude verbunden, von dem aus sich meilenweit die vielen Häuschen der Ranch verteilten - unauffällige niedrige Casitas im Schutz von Pinien und Wacholdersträuchern. Es sah alles sündhaft teuer aus. Innen brannten mehrere helle Kaminfeuer, Kacheln aus Saltillo glänzten unter langen bunten Teppichen, überall saßen Gäste und tranken Kaffee, die meisten mit Kameraausrüstungen, Walkie-talkies und irgendwelchen Filmutensilien behangen.
    Die beiden Frauen an der Rezeption direkt hinter dem Eingang waren, was Jury mittlerweile als »San-ta-Fe-fröhlich« bezeichnete. Sie verströmten nicht nur als Repräsentantinnen des Rancho del Reposo pure Fröhlichkeit, sondern hatten auch etwas Aufgesetztes an sich, dieses Gehabe, »was sind wir für Glückspilze, daß wir hier wohnen«.
    Jury erwiderte das herzliche Lächeln der Empfangsdame und fragte (nicht minder gut aufgelegt): »Was machen die da unten auf der Straße? Einen Film?« Er schaute durch eine breite Glastür auf einen

Weitere Kostenlose Bücher