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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Korridors.
    Chris - überaus attraktiv, was ihr als Oberkellnerin sicher zustatten kam - beugte sich ein wenig über die pultähnliche Säule, auf der das Buch mit den Reservierungen lag. Der untere Teil ihres Gesichts war in das Licht der kleinen Lampe über dem Buch getaucht. Sie war richtig begeistert von Jurys Bitte. »Sally Weeks? Sie muß hier irgendwo sein.« Sie schaute in die samtene Dunkelheit des Speiseraums und zeigte schließlich auf eine junge Frau am anderen Ende, die einen Tisch abwischte. »Dort drüben, das ist Sally. Ja, es könnte sein, daß sie an dem betreffenden Freitagabend gearbeitet hat. Das ist ihre Schicht, wenn sie nicht krank oder sonstwie verhindert ist.«
    Sally Weeks war dünn und ziemlich jung. Braunes Haar, braune Augen, braune Uniform - sie sah aus wie ein trockenes Blatt. Der dröge herbstliche Eindruck wurde aber von ihrer energischen Miene schnell ausgelöscht. Sie hatte eine knabenhafte Figur und schlang vermutlich deshalb die Arme so fest um das kleine Tablett und hielt es dicht vor sich, dachte Jury, um bei dieser Invasion von Hollywoodbusen ihre Flachbrüstigkeit zu verbergen.
    Da das Mittagessen noch nicht serviert wurde und der Speisesaal leer war, gehe es schon in Ordnung, sagte sie, wenn sie sich setzte (im Raucherbereich, denn sie brauchte unbedingt eine Zigarette). Und als Jury ihr Feuer gab, sagte sie, das sei einer der Gründe, warum sie sich an die beiden Frauen erinnere, sie seien als einzige hier im Raucherbereich gewesen und hätten geraucht.
    »Hauptsächlich aber«, fügte Sie nachdenklich hinzu, »weil sie weder mit einer Reisegruppe noch mit einem Mann kamen. Weil sie wirklich so ihren Spaß hatten.« Dann meinte sie, in England werde ja noch mehr geraucht und ob Jury Nichtraucher sei. Woraufhin er antwortete, er versuche gerade, aufzuhören.
    Sofort drückte sie ihre Zigarette aus. »Das tut mir leid. Sie hätten was sagen sollen.« Solche Rücksichtnahme überraschte Jury. Sie schaute sich im Raum um. »Wollen Sie woanders sitzen?« Als sei hier alles verseucht.
    Er lachte. »Nein, Sally, das geht schon in Ordnung. Erzählen Sie weiter.«
    »Hm, also, man sieht ja nicht alle Tage, daß zwei eher ältere Damen - sie müssen weit über sechzig gewesen sein - so unbeschwert durch die Gegend reisen. Wenn Sie so lange hier arbeiten würden wie ich, wüßten Sie, was ich meine.«
    Jury konnte sich nicht vorstellen, daß sie überhaupt schon irgendwo lange arbeitete, sie sah ja kaum älter als siebzehn aus. Er sagte aber nichts.
    »Erzählen Sie, was Sie damit meinen, daß die beiden Spaß am Reisen hatten.«
    Sally rieb sich wie eine alte Dame die Schläfen, als wolle sie die Erinnerungen freilegen. »Also, sie wollten wirklich was sehen.«
    »Reisen die meisten Leute nicht genau deshalb?«
    »O nein! Für die meisten ist es nur eine Gelegenheit - was zusammen zu unternehmen. Ich meine nicht, zusammenzusein. Das interessiert wohl die wenigsten. Ich habe den Eindruck, daß sich viele nicht einmal richtig mögen. Nicht mal Familien, obwohl sie oft so tun. >Wir sind eine Familie, müssen wir ja sein, wir sind ja zusammen hierhergereist.<«
    Jury lächelte. »Sie machen feine Unterschiede. Haben Sie etwas von den Plänen der beiden Frauen mitbekommen?«
    »Ja, sie haben sich manchmal mit mir unterhalten. Sie haben zum Beispiel über Mesa Verde geredet, und ich habe ihnen gesagt, es lohne sich anzuschauen.«
    »Stimmt. Ich komme gerade von dort.«
    »Es hat wirklich etwas Mystisches. Nicht wie Sedona. >Sedona können Sie vergessen<, habe ich ihnen gesagt. Das war, als ich ihnen die Suppe serviert habe, Kürbissuppe.«
    Jury wollte sie nicht unterbrechen, weil sie sich konzentrierte. Schließlich fragte er: »Warum haben Sie ihnen das gesagt?«
    Sie ging nicht direkt darauf ein. »Ich habe ihnen gesagt, sie sollten lieber nach Utah fliegen. Vielleicht in die Canyonlands. In Utah gibt es diese roten Felsen, mehr als in Sedona auf alle Fälle, aber kaum Leute. Man kann meilenweit fahren und sieht keine Menschenseele, keine Autos. Ich habe Sedona ziemlich satt.« Sie nickte nachdrücklich und schaute Jury, Einverständnis heischend, an; auch er hatte Sedona doch gewiß satt.
    Er lächelte. »Nie dagewesen.« Er nahm seinen Mantel.
    »Gehen Sie nicht!« Jetzt nicht hier weg oder nicht nach Sedona? »Es ist bloß eine ganz normale Stadt, die plötzlich in ist, weil jeder jedem erzählt, wie spirituell und mystisch es da ist. Eine richtige New-Age-Stadt, wissen Sie.

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