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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Macalvie. Der Farbton des Himmels hatte sich von Blaßgrau zu Zinnfarben gewandelt. Während er den Himmel betrachtete, überlegte er, ob Probleme und sogar Verbrechen unter anderem auch deshalb gelöst wurden (»gelöst« war vermutlich das falsche Wort), weil sie innerhalb des eigenen Lebensund Erfahrungsbereichs abliefen. Denn letztendlich gab es hier nichts, was ihm nicht bekannt und vertraut war. Vielleicht hatte er das gespürt, als er in Fannys Fußstapfen durch die Tate gegangen war. Die Turners, die Präraffaeliten, Chatterton. Aber er konnte es Macalvie nicht erklären, weil er es nicht einmal selbst begriff.
    Als er aufhörte, in den Himmel zu starren und Tagträumereien zu frönen, war er überrascht, daß Ma-calvie immer noch in derselben Haltung dasaß und ihn anschaute. Der Mann war ein wahres Energiebündel (was der Mantel bezeugte, den er nie ablegte), und seine Ungeduld war legendär. Aber Melrose wußte auch von Jury, daß Macalvie den Ort eines Verbrechens minutiös studieren und so unbeweglich stehen bleiben konnte, daß sein Team reinweg verzweifelte. Vor allem Gilly Thwaite, denn sie war die Spurensicherungsexpertin. »Ungeduld« war auch hier nicht das rechte Wort, das heißt nur dann angemessen, wenn er mit Schwachköpfen und Idioten zu tun hatte - häufiger, als seinen Kollegen lieb war, dachte Melrose. Er mußte lächeln.
    Das Lächeln riß Macalvie offenbar aus seinen eigenen Betrachtungen. Er breitete etwa neun, zehn Fotografien aus und drehte sie Melrose hin. »Die hat Jury auch geschickt. Er hat sie im Silver Heron aufgenommen, Angela Hopes Laden.«
    Melrose schaute sie sich alle gründlich an. Die Hälfte waren Nahaufnahmen von Silberarbeiten, fertige und halbfertige Teile: Armbänder, Anhänger. Sie lagen auf dem Tisch, anscheinend ihrem Arbeitstisch. Dann gab es Nahaufnahmen von Schaukästen, in denen die Türkis-Silber-Stücke standen. Drei sahen Lady Crays Skulptur sehr ähnlich. An der Schöpferin dieser Arbeiten bestand wohl kein Zweifel. Zwei weitere Fotos zeigten Regale in dem Laden und zwei Sessel mit einem Tisch dazwischen, die Besucher zum Sitzen einluden.
    »Keine Kundenkartei, sagt er, offenbar hat Angela nichts davon gehalten, ihre Waren unter die Leute zu bringen. Gut, wir wissen ungefähr, wann sie sich getroffen haben. Aber es wäre nett, es genau zu wissen. Es ist ziemlich sicher, daß Mrs. Hamilton und Angela Hope sich gekannt haben. Aber ich hätte gern Gewißheit über Nell Hawes. Schauen Sie sich das an.«
    Macalvie warf Melrose ein paar Seiten eines Berichts zu, der wie das Ergebnis eines EKGs aussah; spitzwinklig verlaufende Linien unterschiedlicher Länge bedeckten die Seiten. Macalvie erklärte, das sei ein Chromatogramm von Angela Hopes Blut.
    »Ich habe es den Kollegen in Wiltshire abgeluchst. Jury muß DCI Rush dazu veranlaßt haben, sich die gerichtsmedizinischen Untersuchungsberichte noch einmal genauer anzuschauen. Da steht ja drin, was und wieviel wovon gefunden worden ist. Aber alles kommt nicht raus; das ist das Problem mit Giften und Medikamenten. Der Pathologe sagt, daß Angela an einer Herzklappenerkrankung gestorben sein kann. Laut Aussage der Cousine Dolores Schell hatte Angela schon als Kind rheumatisches Fieber.«
    Melrose studierte die Seiten. »Aber Sie glauben nicht, daß dies der Auslöser war.«
    »Nein.« Macalvie nahm die Füße vom Schreibtisch und stand auf. »Kommen Sie, fahren wir zum Labor.«
    Unzählige weiße Zimmer gingen von einem hellgrünen Flur ab, hier waren die Überreste des Verbrechens und die gerichtsmedizinischen Experten zu finden, die sich damit beschäftigten. Macalvie lief vor Melrose her, blieb vor beinahe jeder Tür stehen, brummelte gelegentlich einen Satz oder warf ihm ein Wort an den Kopf - »Serologie«, »Elektrophorese«, »Spektralphotometrie« -, als sei Melrose mit den gerichtsmedizinischen Disziplinen bestens vertraut. In einem Zimmer stapelten sich Tausende bunt chiffrierter Aktenordner und noch mehr Mikrofiches, in einem anderen schienen nur Farbanalysen erstellt zu werden, denn außer den Fenstern war beinahe jede freie Fläche mit Tabellen, Blättchen, Proben bedeckt. Wenn die Kriminaltechniker keinen Platz mehr hatten, würden sie auch noch die Fenster zukleistern. Alle Räume - Böden, Wände, Arbeitsplatten - waren blitzsauber. »Man hätte vom Boden essen können«, wie seine Köchin Martha immer so gern sagte. Die Angestellten hantierten mit Mikroskopen, Computern und Geräten, die wie

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