Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
nicht.«
    »West End Central, meine ich.«
    »Liebe Güte! Ist das ein Kompliment?« Während Macalvie ungerührt die Turmruinen jenseits des Innenhofes betrachtete, erzählte Jury weiter. »Die Frau - sie hieß Frances Hamilton - hatte auf einer Bank im Präraffaelitensaal gesessen und fiel plötzlich zur Seite. Die junge Dame neben ihr dachte, sie sei entweder sehr aufdringlich oder eingeschlafen, etwas in der Art. Unseligerweise hatte sich das Mädchen bis dahin weniger für die Frau interessiert als dafür, ihren Freund abzuknutschen. Sie hatte gar nicht auf Frances Hamilton geachtet. Beide nicht, bis Mrs. Hamilton auf das Mädchen fiel. Niemandem ist irgend etwas Ungewöhnliches aufgefallen, soweit ich gesehen und gehört habe. Vergessen Sie nicht, daß ich die Befragungen nicht geführt habe. Ich habe nur weiter zugesehen, nachdem die Leute von der A-Division und der Krankenwagen eingetroffen waren. Herzinfarkt. Oder Schlaganfall.«
    »Also, was von beidem?«
    Ach, du kannst mich mal, dachte Jury. »Der Pathologe war nicht hundertprozentig sicher. Aber sie war auf Nitroglyzerin, das steht fest.«
    Macalvie nahm Jury scharf ins Visier. »Herzinfarkt, Schlaganfall. Nicht eindeutig, aber es sind trotzdem zwei verschiedene Dinge, Jury.«
    »Na, so was!«
    »Weiter.«
    »Womit? Das war's.«
    »Das nennen Sie gnadenlos bis ins kleinste Detail? Was für Bilder?«
    Jury starrte ihn an.
    »Welches oder welche Gemälde hat sie sich angeschaut?«
    Jury hatte auch schon überlegt, inwiefern das Bild, vor dem sie gesessen hatte, sie an ihren Neffen erinnert hatte. »Chattertons Tod. Das Bild von Henry Wallis.«
    »Wunderschönes Bild. Aber woher wissen Sie, daß sie sich das angesehen hat?«
    »Ich weiß es ja gar nicht. Meinen Sie, es ist wichtig?«
    »Jury, ich weiß nicht, was wichtig ist! Nell Hawes ist vor bestickten Kissen tot umgefallen. Was nicht bedeutet, daß sie vom bloßen Anschauen gestorben ist. Es bedeutet aber auch nicht das Gegenteil.«
    »Auf der einen Seite war ein Bild von William Holman Hunt. Ein Mann und seine Geliebte an einem Klavier. Traurig . « Jury schüttelte die Erinnerung daran ab. »An die andere Seite erinnere ich mich nicht. Vielleicht hat Fanny Hamilton gar nicht großartig auf die Bilder geachtet, als sie starb. Vielleicht hat sie sich einfach nur hingesetzt, um sich auszuruhen. Punktum.«
    »Aha.«
    Wenn Macalvie aussah, als stimme er einem zu, wußte Jury, daß das Gegenteil zutraf. »Der Fall ist bestimmt abgeschlossen. Der einzige Grund, warum ich überhaupt da hineinverwickelt wurde, war eine Freundin. Ich habe einer Freundin einen Gefallen getan. Lady Cray. Diese Frances Hamilton hatte gerade ihren Neffen verloren. Er wurde in Philadelphia ermordet. In der Nähe von Philadelphia.«
    »Das haben Sie mir erzählt. Deshalb sind Sie dort gewesen.«
    »Frances Hamilton war in die Staaten geflogen, weil sie der Polizei helfen wollte. Als es passierte, ich meine, als sie starb, war sie schon einige Monate wieder zurück.«
    Sie schwiegen und blieben im blassen Licht des späten Nachmittags stehen. Die drei Polizisten, die um die Latrine postiert waren, sahen in ihren dunklen Uniformen wie schmale schwarze Monolithen aus.
    »Wo in den Staaten?« fragte Macalvie.
    Was diese Frage nun wieder sollte . »Wie bitte?«
    »Ihre ... Verzeihung!« Macalvie ballte die Hände vor der Brust zur Faust. »Ich meine, die Dame der A-Division. Sie haben gesagt, sie sei in den Staaten gewesen. Wo genau? Nur in Pennsylvania?«
    »In Pennsylvania ... Maryland.«
    »Sonst nirgendwo?« Macalvie bückte sich und hob einen Stein auf, einen Feuerstein. Er studierte ihn.
    Vor Jurys innerem Auge erstand ein Bild, er verdrängte es. »Macalvie, wie Sie diesen Fall aufbauen, erinnert mich gewaltig an die Art und Weise, wie die Steinmetze die Kapsteine in Stonehenge auf die Monolithen montiert haben.«
    »Ist sie sonst noch irgendwohin gereist?«
    Wieder regte sich ein Gedanke. Jury wurde unbehaglich. Vor seinem inneren Auge sah er nun, wie Lady Cray den Türkisblock mit dem Silberband und dem silbernen Flötisten in Händen drehte. Er heißt ... Wie? Angestrengt versuchte Jury, sich an den Namen zu erinnern. Lady Cray hatte ihn wie einen Talisman gehalten, ein Amulett, einen Gegenstand, aus dem man Kraft bezieht.
    Auch Macalvie drehte den kleinen Feuerstein in Händen. »Sie erinnern sich an etwas.« Eine Frage war das nicht.
    »Nichts Wichtiges.« Er heißt Kokepelli.
    »Dann was Unwichtiges.«
    »Hören Sie auf,

Weitere Kostenlose Bücher