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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Antwort nicht wissen. Es dürfte ja nicht länger als ein oder zwei Jahrtausende dauern, das mutmaßliche Gift zu bestimmen.« Sehr aufrichtig war Jurys Lächeln nicht. »Sie wissen, wie schwierig es ist, wenn man nicht weiß, nach welchem Gift man suchen muß.«
    »Die eindeutig erkennbaren Gifte kann ich, oder der Bursche in der Gerichtsmedizin, ausschließen. Mit toxikologischen Untersuchungen schließen wir eine Menge weiterer aus. Eine vollständige Analyse von Lymphflüssigkeit und Urin ergibt entweder, was es war, oder schließt Hunderte von Giften aus.«
    Jury verlor allmählich die Geduld. »Ich kapier das nicht, Macalvie. Es geht um eine Touristin, die einen Unfall hat und auf dem Boden eines Schachts landet. Der Sturz ist tödlich. Warum machen Sie was anderes daraus?« Jury wußte, warum. Aber wenn er Macalvie die Verbindung zwischen Angela Hope und Helen Hawes zugestand, gestand er ihm auch eine, wenn auch noch so schwache Verbindung zu Frances Hamilton zu. »Wenn Sie wissen wollen, warum der Frau vor ihrem Tod so übel geworden ist - vielleicht war es bloß eine Lebensmittelvergiftung.«
    »Möglich. Aber nicht sehr wahrscheinlich, es sei denn, sie haben alle zusammen zu Abend gegessen.«
    Allmählich ärgerte Jury sich darüber, daß Macalvie an der eigentlichen Frage vorbeiredete. »Sie gehen also bereits davon aus, daß die drei an derselben Sache gestorben sind.«
    Mit Unschuldsmiene schaute Macalvie ihn an. »Selbstverständlich.«
    Jury schüttelte den Kopf, drehte sich zum Fenster, das auf den träge in der Abendsonne dahingleitenden Fluß ging. Jury betrachtete das Wasser und das fleckige Licht, das durch die Bäume drang. Am anderen Ufer vergrub ein Schwan den Kopf unter dem Flügel und ließ sich treiben. Und Jury dachte an Stratford und an Jenny.
    In seine eigenen Gedanken versunken, runzelte Macalvie die Stirn, sein Blick folgte dem Jurys nach draußen, wo nebliger Dunst am Ufer hing.
    Über dem ruhig strömenden Wasser sammelte sich Licht, schoß durch die dunklen Zweige und leuchtete hier und da auf, als sei die Sonne bei ihrem langsamen Sinken plötzlich abgestürzt und habe sich dann noch einmal gefangen. Nun verströmte das Licht in einem goldenen See. Jury beobachtete den Schwan, der so reglos war, als habe man ihn aus Papier ausgeschnitten und aufs Wasser geklebt. Der Tod schien weit entfernt zu sein.
    »Worauf wollen Sie hinaus?« fragte Jury noch einmal.
    »Die tiefe Zeit«, sagte Macalvie.
    Jury betrachtete ihn, während die Kellnerin ihnen das Essen mit den mahnenden Worten servierte, sie sollten sich bei den Tellern vorsehen, sie seien heiß. »Was meinen Sie mit >tiefer Zeit    »Die Art Zeit, an die man denkt, wenn man Old Sarum oder Stonehenge sieht. Die Art Zeit. Tiefe Zeit.«
    »Ach so, alles klar.« Jury zerlegte seinen Fisch.
    »Als ob man versuchte, in Lichtjahren zu denken. Das schaffen wir nicht.«
    Jury beobachtete ihn über seinen Teller mit der zarten Forelle hinweg. Macalvie schien seine Gedanken, seine Worte zu kosten, nicht sein Abendessen. »Denken Sie an des Königs Elle, Jury.«
    »Würde ich ja, wenn ich wüßte, was es ist. Ihr Fisch wird kalt.«
    »Des Königs Elle war das Maß zwischen des Königs Nasen- und Fingerspitze. Stimmt's?« Er schabte vorsichtig den Fisch von den Gräten.
    »Wenn Sie es sagen.« Die Forelle war köstlich.
    »Wenn Sie dieses Maß auf die >tiefe Zeit< übertragen, würde unsere Zivilisation nach einem einzigen Mal Fingernägelfeilen verschwinden.« Er stocherte mit der Gabel in seinem Fisch herum.
    »Dann wollen wir doch hoffen, daß der König sich nicht maniküren läßt.«
    Macalvie schaute ihn finster an. »Ich meine es ernst.« Er ließ von seinem Teller ab und schaute versonnen auf den Fluß. »Die Bewegung in der Zeit ist trügerisch, Jury. Weil wir uns im falschen Zeitrahmen bewegen. Wissen Sie, wie ich mich fühle? Als ob ich auf hundert beschleunigen und gleichzeitig einen Film im Zeitraffer sehen würde, auf dem . ich weiß nicht . sich die Blütenblätter einer Blume langsam öffnen, während ich zusehe. Irgendwo hakt's. Haben Sie schon einmal überlegt, ob sich vielleicht zwei Welten nebeneinander bewegen, Seite an Seite, aber zu verschiedenen Zeiten?«
    Jury lächelte. »Nur, wenn ich mit Ihnen zusammen bin, Macalvie.«
    »Sehr witzig. Stonehenge, Sarum, Avebury - dort kriege ich dieses Gefühl ausgedehnter und gleichzeitig komprimierter Zeit. Heutzutage geschieht alles in einem so rasanten Tempo, als funktioniere

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