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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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vorgelesen hatte, die die oberste Wohnung in dem Reihenhaus bewohnte. Die Verwaltung der leeren Wohnung zwischen ihm und ihr im ersten Stock oblag ihr, was nichts anderes bedeutete, als daß sie den Hausbesitzer überredet hatte, sie mit der Vermietung zu betrauen. (»Mr. Mosh, wir wollen doch hier keinen Pöbel, nicht wahr? Warten Sie ab. Ich finde jemand Solventen wie uns, das erspart Ihnen Ärger.«)
    Der arme Mr. Mosh. Dem Rest der Welt war er übrigens als Mr. Moshegeiian bekannt. Carole-anne hatte Dutzende Bewerber abgelehnt, von denen die meisten, zumindest nach Aussagen Mrs. Wassermanns, die im Souterrain wohnte, durchaus nett waren. Carole-anne fand sie unter aller Kritik: kreischende Babys (»Wollen Sie, daß so was über Ihnen wohnt, Super?«), Huren vom Shepherd Market, Diebe, Verbrecher oder New-Age-Jünger. Diese Leute mit ihren exotischen Mineralien und Steinen und außerkörperlichen Erfahrungen waren Carole-anne ein Dorn im Auge. In Anbetracht ihres Jobs als Wahrsagerin und Hauptattraktion in einem Etablissement in Convent Garden, wo sie in einem Seidenzelt eifrig mit Tarotkarten hantierte, fand Jury ihre Abneigung gegen die mystischen und astronomischen Interessen der New-Age-Leute ziemlich heuchlerisch. Zugegeben (hatte er gedacht), für Carole-anne grenzte eine Erfahrung außerhalb ihres Körpers ans Tragische. Warum sie sich der Mühe unterzog, Teile von sich zu bemalen - Lippen, Augen, Zehennägel -, war ihm ein Rätsel. Das war des Guten zuviel, als tauchte man Sterne in Glitzerpailletten.
    Mit einiger Erbitterung wies er auf die Spuren seines Aufenthalts in der Wohnung hin, »Noch nicht ausgepackte Tasche am Bücherschrank; Post herein-gebracht und geöffnet; dito die Milch; Kaffeetasse und Reste eines Brötchens dort auf dem Tisch; Zettel für Mrs. Wassermann mit Tesafilm an meine Tür geklebt, Wortlaut: >Zurück vom Land, bis heute abend, RJ.< Alles Zeichen menschlicher Behausung und meiner insbesondere. Und keiner dieser Fingerzeige ist Ihnen aufgefallen?«
    Carole-anne blinzelte ihn an, als sei sie kurzzeitig erblindet. »Rumspionieren tu ich ja nun nich.«
    Komischerweise traf das zu. Er hatte ihr eher um ihretwillen als um seinetwillen seinen Schlüssel gegeben und gesagt, sie könne sein Telefon abnehmen, wenn sie es hörte. Denn seines Wissens waren er und Mrs. Wassermann alles an Familie, das Carole-anne besaß. Und er wußte genau, wie sich ein solcher Mangel anfühlte. Einerlei, auch wenn man seine Zimmer auf den Kopf stellte, würde man nichts entdecken. Er überlegte, ob er ein Geheimleben hatte.
    Er ließ sich in seinen großen Sessel plumpsen. »Äußern Sie sich zu >nada<, oder Sie werden es bereuen.«
    Sie hob den korallenroten Nagellackpinsel, lehnte sich zurück, schaute ihr Kunstwerk an und wackelte mit den Zehen. »Die Verbindung war irre schlecht.«
    Schlechte Verbindung herrschte immer, wenn Carole-anne einen Anruf von einer seiner Freundinnen entgegennahm. »Haben Sie den Hörer danebengelegt und sind in die Küche gegangen, um sich was zu brutzeln, während die Anruferin versuchte, mit Ihnen zu reden?«
    Carole-anne verdrehte die Augen und machte einen auf: >O Herr, gib mir Geduld!<. »Nein. Mal sehen. Sie hat über Suppe geredet.«
    »Suppe?« Jury runzelte die Stirn, ließ aber sofort davon ab, als ihm einfiel, daß Jenny Kennington ihm bei seinem letzten Besuch Suppe serviert hatte. Melone mit Pfefferminz. »Sie ist Köchin«, sagte er gedankenversunken.
    »Oh? Na ja, irgend womit müssen wir uns ja alle unsere Brötchen verdienen.« Verachtung troff ihr aus allen Poren.
    »Sie muß ihre Brötchen nicht damit verdienen. Sie kocht einfach vorzüglich.«
    »Echt? Klang aber nicht so. Sie laberte darüber herum, was sie reintun wollte. In die Suppe, meine ich.«
    Jury versuchte an Carole-annes Gesicht zu erkennen, ob sie sich herausreden wollte. »Eigentlich kann ich mir nicht so recht vorstellen, daß Sie und Jenny Kennington Rezepte austauschen.«
    »Wie kam ich denn dazu, Super. Ich weiß was Besseres mit meiner Zeit anzufangen. Ich gebe zu, daß ich nicht besonders gut zugehört habe. Hat was über ein Pub gesagt.«
    »Sie geht ins Gaststättengewerbe.«
    Ein mißbilligender Blick von Carole-anne. »Ich mach mir ja manchmal so meine Gedanken über Wirtinnen.«
    »Was für Gedanken?« Keinen einzigen hatte sie verschwendet.
    »Hm, also, ich finde, es macht eine Frau ein bißchen hart, meinen Sie nicht? Oder vielleicht gehen eh nur die Harten in das Gewerbe.«

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