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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Geziert drehte sie den Verschluß der Koral-Kiss-Flasche zu und wackelte mit den Zehen ihres anderen Fußes. Dann faltete sie die Hände hinter dem Kopf, dessen flammendes Rötlichgold durch ihren knallrosafarbenen Pullover noch mehr strahlte - sie sah aus wie ein Sonnenuntergang auf der Ebene von Salisbury -, und fügte abschließend hinzu: »Man verroht, finde ich.«
    »Also diese Frau wird nicht verrohen, meine Liebe.«
    »Nein, die wahrscheinlich nicht. Jemand, der so versnobt klingt wie die, nicht.«
    Niemand vermochte seine Meinung so schnell zu ändern wie Carole-anne. Wenn Jenny nicht verroht war, war sie eben versnobt. »Versnobt?«
    »Sie säuselt so, wenn sie spricht.«
    »Aha, Gedächtnis wiedergefunden?«
    Einen Augenblick dachte sie nach. »Also bitte, ich hab nicht gesagt, ich hätte es vergessen. Sie hat ja überhaupt nichts gesagt - absolut nichts -, was des Erinnerns wert gewesen wäre. Schließlich haben Sie auch keine Zeit zum groß Rumquatschen.« Sie stöhnte und schüttelte genervt den Kopf. Daß andere Frauen seine Zeit und Energie beanspruchten, war kaum zu tolerieren. »Sie haben Wichtigeres zu tun.« Nun pflanzte sie beide Füße auf seinen Couchtisch und begutachtete das Ergebnis ihrer Pediküre.
    »Wie zum Beispiel Ihre Zehen zu zählen? Carole-anne, in der Zeit, in der wir hier gesessen und zwei Menschen imitiert haben, die einen lebhaften Meinungsaustausch pflegen, hätten Sie einen parlamentarischen Untersuchungsbericht oder den gesamten Bericht an den Polizeipräsidenten verlesen können, eine simple Telefonnachricht allemal.« Mit wütenden Blicken glitt Jury tiefer in seinen Sessel. »Ich besorge mir einen Anrufbeantworter.« Er haßte diese Dinger, und Carole-anne haßte sie offenbar auch, warum sonst wollte sie wohl als sein Anrufbeantworter fungieren? (Wie sonst behielt sie sein Leben unter Kontrolle?) »Einen Anrufbeantworter besorgen« war nur die übliche leere Drohung, vom selben Kaliber wie »Ich lasse das Schloß auswechseln« oder »Ich habe eine hübsche Frau für die Wohnung im ersten Stock gefunden«.
    Nun schaute sie ihn an, als habe er den Streit angezettelt. »Sie brauchen sich nicht gleich ins Hemd zu machen. Immer reden Sie mir rein. Sie brauchen nicht -«
    »- dem Impuls zu widerstehen, zum Küchenmesser zu greifen.«
    Mit unendlicher Geduld streckte Carole-anne die frischmanikürten Finger aus, tätschelte die Luft, rief zur Ruhe. »Gut, wenn Sie unbedingt wissen wollen, warum ich die Nachricht nicht aufgeschrieben habe ...« Pause zum Lügenmärchenausdenken. »Also: nur deshalb, weil ich wußte, Sie wären müde und erschöpft von der Reise. Und ich habe eigentlich nicht eingesehen, warum Sie sich nicht ein bißchen ausruhen sollten, bevor Sie zurückrufen.« Sie verschränkte die Arme, klopfte mit ihren Koral-Kiss-Fingerspitzen auf ihre weiße Haut, zog einen Schmollmund und wartete, daß er endlich zur Vernunft kam.
    »Und? Jetzt habe ich mich ja mit Ihnen hier ein bißchen ausgeruht. Was hat sie gesagt?«
    Carole-anne zuckte, so hübsch sie konnte, mit den Schultern.
    »Na ja, nur das über die Suppe.«
    Jury stöhnte ungeduldig. »Sonst noch was?«
    Sie konzentrierte sich. »Ach, und sie möchte, daß Sie sie anrufen, basta. Aber das haben Sie wahrscheinlich eh schon erraten.« Mit einem vorgetäuschten Gähnen sprang sie vom Sofa auf und ging, um ihn abzulenken, zum Fenster, als wolle sie für neue Gardinen Maß nehmen. »Ihre Fenster müssen geputzt werden. Sie sollten sich eine Putzfrau besorgen. Ich kann ja schließlich nicht alles machen.«
    »Bleiben Sie nur davor stehen. Die Scheiben werden schon von dem Dampf sauber, den Sie ablassen.«
    »Wer ist denn das?« Schon klebte ihr Gesicht an der Scheibe.
    »Wer?«
    »Da unten, schauen Sie.«
    Jury stellte sich neben sie. Auf der anderen Straßenseite stand ein pummeliges Pärchen mittleren Alters und unterhielt sich. »Die zwei da? Weiß ich nicht.«
    »Nein, nein, nicht die beiden. Mrs. W. steht mit jemandem auf der Treppe, mit irgend so einem Typ. Hier, kommen Sie hierher.«
    Jury ging um sie herum, stellte sich dicht neben sie (eine angenehme Nähe, alles, was recht war) und beugte sich vor. Zuerst dachte er, daß der große junge Mann, mit dem Mrs. Wassermann auf der obersten Stufe der nach unten zu ihrer Wohnung führenden Treppe redete, immer wieder zu seinem, Jurys, Fenster hochblickte, doch dann merkte er, daß der junge Mann höher hinauf schaute. Mrs. Wassermann zeigte auf etwas.
    Wie der Blitz

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