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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Polizist sind und so einen scharfen Verstand haben, sehen Sie die Dinge manchmal wirklich auf einer arg simplen Ebene. Sie scheinen sich die Möglichkeit nicht vorstellen zu können, daß das Leben bisweilen extrem komplex -«
    »Ach nein? Worüber habe ich denn eben gerade geredet?«
    »- sein kann oder daß die Menschen Sklaven sehr widersprüchlicher Gefühle sein können. Jimmy hat insofern recht, als man niemandem vorschreiben kann, wie er zu leben hat.«
    »Verdammt und zugenäht! Kann ich doch. Also gut, gehen wir.«
    Jury stöhnte. »Sie sind genau wie er.«
    Macalvie blieb stehen. »Wie Jimmy Landis? Ich?« Er schlug sich vor die Brust. »Moi?«
    »Ja, toi.«
    »Und wie haben Sie das herausgefunden?«
    »Sie haben beide so eine Angst, daß etwas Schlimmes passieren könnte, daß Sie nicht mal den Mantel ausziehen.«
    Ein paar Minuten gingen sie schweigend nebeneinanderher.
    Jury dachte über das Mädchen nach, die kleine Schwester. Wie alt war sie? Zwölf, dreizehn. Angela Hope war offenbar ihre einzige Angehörige gewesen. Nun war ihre Familie tot. Er sagte: »Zwei oder drei Tage. Allerhöchstens vier.« Jury schaute über den Fluß. »Weil ich die Informationen haben will und weil ich weiß, daß Sie unrecht haben.«
    Macalvie zündete sich eine Zigarre an. Als er sie genüßlich angeraucht hatte, warf er das Streichholz in den Fluß und fragte: »Können Sie morgen los?«
    »Nein.«
    Jury flog am nächsten Tag.
17
    Melrose war überzeugt, wer zufällig im Regen vorbeikam und in die Fenster von Ardry End schaute, empfand ihn und seine Tante als Urbild behaglichen, unbeschwerten Beisammenseins. Gemütlich tranken sie Tee und Sherry am Kamin, der alte Hund lag zu ihren Füßen.
    Aber warum sollte jemand im dunklen, strömenden Regen zufällig vorbeikommen? Er dachte zum hundertstenmal an Miss Fludd. Und er hätte auch zum hundertundeinstenmal an sie gedacht, wäre nicht sein Butler Ruthven neben ihm aufgetaucht, hätte ihm den Telefonhörer hingehalten und ihn aus seinen Träumen von Paris und Miss Fludd gerissen. Schon vor dieser Unterbrechung hatte er nur mit Mühe seinen Phantasien nachhängen können, denn Agatha lagerte auf dem Sofa ihm gegenüber. Obwohl der Regenschauer sie zur Tür hineingeschwemmt hatte, war er nicht stark genug, um sie auch wieder hinauszubefördern.
    Dieses flaue Wunschbild hatte ihn jedoch von Paris und Miss Fludd ins National Aquarium nach Baltimore geführt und von dort zu der Schriftstellerin Ellen Taylor. Ihr Buch Fenster lag hauptsächlich deshalb auf seiner Stuhllehne, weil es ihn inspirierte, an seinem eigenen weiterzuschreiben. Bis zu Agathas frühmorgendlicher Invasion war er prächtigster Laune gewesen. Er hatte Kaffee getrunken und an der Fortsetzung von Gin Lane und den Abenteuern von Detective Chief Inspector Smithson und seiner Frau Norma gearbeitet. Smith und Norma saßen auch am Kamin, aber in Gravely Manor, und auch sie tranken Kaffee (Norma wie immer Champagner dazu). Melrose freute sich, daß die beiden seine Freizeitvergnügungen teilten.
    »Du siehst doch, Darling«, sagte Norma, »daß dieses Alibi...«
    Wie bitte? Was war mit dem Alibi? Melrose überflog die Seiten, um es zu suchen. Konnte er sich nicht mal merken, welches Alibi zu welcher Figur gehörte? Na ja, er hatte Gin Lane schließlich nach seiner Rückkehr aus Baltimore nicht mehr zur Hand genommen. Er runzelte die Stirn ein wenig, halb mit den Gedanken bei den Petit fours, die Agatha vor sich aufgereiht hatte, halb bei dem Telefonhörer, den Ruthven ihm aufdrängte.
    »Es ist Superintendent Jury, Mylord«, sagte Ruth-ven selbstzufrieden, sogar hämisch. Er wußte, Agathas Anwesenheit bedeutete, daß das Gespräch mit Mr. Jury von Anfang bis Ende verschlüsselt geführt würde. Ruthven mochte Richard Jury sehr. Er be-zeichnete ihn immer als »Gentleman der alten Schule« und fühlte sich von Jury, obwohl dieser nicht adlig war, in gewisser Weise dafür entschädigt, daß Melrose seine Grafen-, Herzogsund Marquistitel abgelegt hatte.
    Melrose hörte ein paar Augenblicke zu und sagte dann: »Schon wieder? Meine Güte, wir sind doch gerade erst zurück ... Krankenhaus? Wiggins ist im Krankenhaus ...? Was für einen Unfall? ... Nichts Ernstes? Für Sergeant Wiggins ist aber alles ernst . Ja, ich fahre hin und besuche ihn . Ich wollte ohnehin nach London ... Hm, hm ... Merchant - Moment, ich muß mal eben Papier holen.« Er schaute sich auf dem Couchtisch um, da reichte Agatha ihm in einer ihrer seltenen

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