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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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mitten in einer Geschichte, so daß ihr Zuhörer hinsichtlich der Figuren und Ellies Beziehung zu ihnen immer völlig im dunklen tappte. Wenn sie ihre Geschichten zu einem ordentlichen Abschluß gebracht hätte, hätte sie dem großen Dichter Homer durchaus das Wasser reichen können.
    »Der Schuppen, genau! Rasputin meint, es war doch mal ein Lacher, den Schuppen hinten abzubrennen, und schon tanzt die Polente und das Sozi an - Missus Esposito von weiter unten in der Straße, na, die steckt doch ihre lange Nase überall rein. Sag ich: >Und hat das Sozi nix Besseres zu tun, als die Feuerwehr zu belästigen?««
    Ihre Kreissägenstimme sirrte vor sich hin, erhob sich zu gräßlichem Kreischen oder fiel zu einem Jammern ab, je nachdem, während Melrose in einen Dämmerzustand glitt, in dem er einmal gestört wurde, als die Kinder explosionsartig aus der Küche die Treppe hinaufstürmten, und zum zweitenmal, als vor dem Wohnzimmerfenster, das trotz Februar offenstand, ein Tumult entstand. Er drehte sich um und sah, daß sich zwei Leute mehr oder weniger mitten auf der Straße stritten und den Morris Mini ignorierten, der versuchte, um sie herumzufahren. Der Mann war klein, hatte einen Buckel, einen schrecklichen Überbiß und ein Kinn, das in seinem Hals verschwand; die Frau nannte ein spitzes Gesicht und eine schrille Stimme ihr eigen.
    White Ellie hievte sich aus dem Sessel, ging zum Fenster und brüllte das Paar an, »die Klappe zu halten, ich hab Besuch«, was etliche in ihre Richtung geschleuderte Grobheiten zur Folge hatte, aber keineswegs Ruhe. Sie knallte das Fenster zu. »Die Lügnerin und Fuckin' Freddie. Da kommt mir's Kotzen, echt. Streiten sich wie die Besenbinder, und das vor meinem Fenster! Wo war ich? Ach ja, genau, Rasputin .«
    Melrose warf einen Blick auf den Keksteller (den sie freundlicherweise neben ihn gestellt hatte) und nahm den mit dem wenigsten rosa Zuckerguß. Sie sahen ziemlich eklig, aber doch sauber aus, und er wollte ihre Gastfreundschaft nicht beleidigen. Als er in den weichen Keks biß, wurde seine Aufmerksamkeit von einer winzigen Maus abgelenkt, die neben der Wasserschüssel Aufstellung bezogen hatte und sie offenbar gründlich musterte. Nun wollte er es aber wissen. Er unterbrach Ellie bei ihrer Geschichte über die Guy-Fawkes-Feierlichkeiten (»die Feuerwehr, die Polizeiwache, alle Mann hoch!«) und deutete auf die Maus.
    Sie beugte sich vor und verdrehte den Kopf, damit sie etwas sehen konnte. »Ach, das is Ashleys Mausefalle. Das is Narziß.« Dann kehrte sie zu Rasputin zurück.
    Mausefalle? Narziß? Vielleicht waren sie ja wirklich im Land der Lotosesser? »Einen Moment. Wie kann man mit einer Schüssel Wasser eine Maus fangen?«
    »Kann man ja auch nich, oder? Hat Ashley erfunden. Also, die Stromkabel im Wasser sollen der Maus einen tödlichen Stromschlag verpassen, wenn sie draus trinkt. Narziß is der einzige, der schon mal 'n Blick riskiert. Ein Freund von uns, Gabe Merchant, hat ihn so getauft.« Als sie grinste, glitzerte es golden im Licht.
    Ah! Die Bresche, der Spalt in der Tür! Die Erwähnung Gabes bot einen glatten Übergang zu der Angelegenheit, derentwegen Melrose hier war. Nicht, daß man bei White Ellie Tricks anwenden mußte (ermahnte er sich). Sie wuchtete ihre beträchtliche Leibesfülle wieder aus dem Sessel, watschelte zu einem Regal, holte ein viereckiges Papier oder Pappestück und gab es ihm. »Sehn Se? Hat Gabe gemalt.«
    Melrose mußte unwillkürlich lächeln. Die kleine Aquarellzeichnung zeigte eine Maus an einer Schüssel mit Wasser. Das Tierchen war so entzückend und possierlich, daß es ihn an Beatrix Potter erinnerte. Zwei glänzende Äuglein schienen zu fragen: »Würden Sie hier Ihr Glück versuchen?« Unten hatte der Künstler den Namen »Narziß« verewigt.
    »Weil er sich immer selbst anguckt, sagt Gabe.«
    Gabe, entdeckte Melrose zu seiner Freude, hatte Phantasie.
    »Und ich leg der Maus da immer ein Keksstückchen hin, aber sagen Sie es nicht Ashley. Der wär so was von enttäuscht.« Sie zündete sich eine Zigarette an und schüttelte die Flamme des Streichholzes aus. »Einmal lag in der Küche eine tote Maus, und die hab ich hier neben die Schüssel gelegt. Ganz normal gestorben, klar, aber das wußte Ashley nicht. Mann, hat der sich gefreut! >Elephant<, sagte er, >Elephant, hier oben versteckt sich ein Genie<, und tippt sich an den Kopf. Ein Genie ist Ashley aber nu nich.«
    Melrose mußte lachen. Als er ihr die Zeichnung zurückgab,

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