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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Kathedrale von Exeter gestorben ist. Es gehörte ihr aber nicht. Dessen ist sich die Polizei dort sicher.«
    Wieder schaute sich Lady Cray mit gerunzelter Stirn die Seiten an. »Schwer zu sagen ... Aber es sieht nach zwei verschiedenen Handschriften aus, finden Sie nicht? Schauen Sie hier.« Sie gab Melrose die Seiten zurück. »Das C und das O in >Canyon< sind ganz anders geschrieben als in >Coyote<. Was für ein komischer Name, >Coyote Village<. Aber eins verstehe ich nicht.« Sie schaute Melrose an. »Wenn man es bei dieser anderen Frau gefunden hat . Wie oft habe ich Fanny gesagt, daß man ihre kleinen Zahlen unmöglich lesen kann. Ihre Neunen sehen zum Beispiel wie Fünfen aus.« Lady Cray seufzte tief und lehnte sich zurück, die Lider fast geschlossen. »Arme Fanny.« Sie seufzte noch einmal.

Als habe die Verwechslung von Neunen und Fünfen ihr den Tod gebracht.
    Vielleicht hatte sie ja recht. Es war jedenfalls nicht unwahrscheinlicher als das Stendhal-Syndrom.
    Melrose lächelte, dankte ihr und verabschiedete sich.
    Als Melrose sah, wie die Crippsschen Sprößlinge auf die Mülltonnendeckel einhämmerten, dankte er dem Herrn, daß er diesmal nicht mit dem Rolls in die Catchcoach Street gefahren war. Beim letztenmal hatte er Schutzgeld entrichten müssen. Er zählte fünf -nein, sechs, denn in der Mitte des Kreises war noch eins, und natürlich waren es nicht dieselben sechs wie damals. Eine neue Serie. Typisch für diese Familie.
    Bei ihrem Aussehen gab's kein Vertun, das wurde von Generation zu Generation weitergegeben - Käse-, Pudding- und Teiggesichter, Haar und Wimpern ausgebleicht, so farblose Augen, daß sie beinahe durchsichtig waren. Die Cripps sahen alle aus, als seien sie einmal zu oft montags in die Waschmaschine im Waschsalon gesteckt worden.
    Ihr farbloses Aussehen glichen sie durch ihr Verhalten aus. Melrose blieb auf der anderen Straßenseite stehen, nur um ihr neuestes Spiel zu beobachten. Fünf marschierten eifrig in einem Kreis herum, in dessen Zentrum ein tumbes Kind stand - schwer zu erkennen, ob Knabe oder Mädchen. Es hatte die Augen verbunden und eine Topfpflanze in der Hand. Die Kinder im Kreis schlugen entweder auf die Mülltonnendeckel ein oder zweckentfremdeten andere Gerätschaften. Ein Gartenrechen diente als Fahnenstange, an der eine zerlumpte irische Flagge hing. Eine Hacke trug eine hand- und natürlich falsch geschriebene Losung - Nieder mit Schmeissmajers . Die Hauptparole der Demonstration war offenbar den morgendlichen Schlagzeilen über einen IRA-Protest entliehen. Ein mutmaßlicher Übeltäter war verhaftet worden, daher der Gefühlsausbruch der Kinder. Ihre Sympathien lagen bei jeder Organisation, die Unruhe stiftete. Warum einer der Ihren den Gefangenen mimte, war unklar. Aber Melrose vermutete, daß die Cripps immer auf allen Hochzeiten tanzen wollten, damit ihnen die Gelegenheit nicht entging, alles und jeden zu malträtieren.
    Angesichts des Zustands des wenigen Erdreichs zwischen Haustür und Bürgersteig wunderte er sich auch über die Gartengeräte. Die übrigen Anwohner der Catchcoach Street mochten ähnliche Fleckchen Land als »mein kleiner Vorgarten« bezeichnen, aber der Crippssche Garten war ein einziges Chaos, unkrautüberwachsene, aufgewühlte Erdklumpen, Dreckhaufen neben grabähnlichen Löchern, die wohl aufnehmen sollten, was immer drinnen gestorben war -Hund, Katze, Großmutter.
    Stand zu befürchten. Aber Melrose war sicher, daß diese aufgewühlte Erde nicht darauf wartete, einen Ehrengast zu empfangen wie in Audens Elegie auf Yeats' Tod und Grablegung. Nein, auch praktischen Zwecken dienten diese Erdhöhlen nicht. Hier wurde kein Poet begraben, kein geliebtes Haustier. Diese Familie verschwendete ihre Zeit weder auf feinere Gefühle noch auf pragmatische Lösungen. Bei den Cripps wurden Löcher eben einfach gebuddelt. Gefühle waren Verschwendung. Es gab immer zuviel zu tun. Wie zum Beispiel, sich gegenseitig zu quälen oder die Nachbarn in den Wahnsinn zu treiben.
    Oder - heute war ein Glückstag! - einen Fremden.
    Als Melrose über die Straße auf sie zuging, ließen sie im Nu von ihren Aktivitäten ab und beobachteten ihn so beutegierig wie die Kojoten, die Richard Jury wahrscheinlich um diese Zeit in New Mexico beäugten.
    Melrose trat zu ihnen, lächelte und fragte freundlich: »Die Mum zu Hause?« Denn wenn Mum oder Dad nicht zur Tür kamen, bestand nicht die geringste Hoffnung, ohne die Erlaubnis dieser Bande hier die Schwelle zu

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