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Blinder Einsatz

Blinder Einsatz

Titel: Blinder Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Lafani , Gautier Renault
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auf Niederländisch, obwohl am Tisch eigentlich Englisch verlangt wurde, um Absprachen zu vermeiden.
    Seit Lars den großen Pot gewonnen hatte, war er der beherrschende Spieler am Tisch. Er raiste und reraiste pausenlos. Alles lief bestens für ihn. Kein Bluff konnte ihm etwas anhaben, er hatte starke Karten, seine Gegner liefen ihm immer wieder ins Messer. Ein Traum für einen aggressiven Spieler wie ihn, der mit fast allen Karten, die sich ihm boten, ins Spiel ging. Er kam sich unbesiegbar vor, ein Gefühl, das er bei den Internetpartien, die er bisher gespielt hatte, nie erlebt hatte. Schon scharten sich Zuschauer um den Tisch, der nun ganz von Lars dominiert wurde. Er genoss es, im Mittelpunkt zu stehen. Unaufhörlich wuchsen seine Chipstapel, die er mit Vergnügen immer wieder umschichtete und neu aufbaute, um seine Stärke zu demonstrieren. Alle sollten seine Macht, sein Selbstvertrauen spürten: Hier war jemand, der nicht zum Verlieren gekommen war! Vier Stunden nach dem Beginn der Partie lagen vor Lars an die 100 000 Dollar, das Zehnfache seines ursprünglichen Einsatzes. Doch er dachte keinen Augenblick daran aufzuhören, dafür war sein Adrenalinspiegel einfach zu hoch. Lars wirkte undurchschaubar, während seine Gegner das Gefühl hatten, er könne ihnen mühelos in die Karten blicken. Doch Poker ist und bleibt ein Spiel, in dem man Glück haben kann, aber auch Pech. Als Big-Blind fand Lars zwei Asse. Der Spieler mit dem Button, ein junger Kerl, der dem Spiel keine große Aufmerksamkeit schenkte und nie die Stöpsel seines iPod aus den Ohren nahm, versuchte von Zeit zu Zeit ein paar vergebliche Moves und raiste Lars’ Einsatz. Lars zögerte nicht, seinerseits zu reraisen, und zwar um das Zehnfache. Der andere zog verbissen mit und callte. Der Flop: König-Zwei-Fünf, Rainbow (drei verschiedene Farben). Lars raiste. Sein Gegner zögerte, das ständige Raisen von Lars schien ihn zu verunsichern. Am Ende schob er all seine Chips in die Mitte und machte damit Lars die Entscheidung leicht, der sofort bezahlte und seine Karten aufdeckte. Sein Gegner ärgerte sich.
    »Das gibt’s doch nicht!«
    Er zeigte eine sehr schwache Hand: Ass und Drei in Herz suited. Turn: König, nur eine Vier konnte ihn noch retten. »One Time!« – »Nur einmal Glück haben!« – rief sein Gegner. River: Vier. Sein Gegenspieler hatte auf wundersame Weise mit der letzten Karte eine Straße zusammengebracht und konnte nun einen fetten Pot einstreichen. »Yes!«, jubelte er. Offenbar hatte er schon vergessen, wie ungeschickt sein Move gewesen war.
    Nun riss er sich die Stöpsel aus den Ohren. Sein Blick drückte Selbstzufriedenheit aus, obwohl er gerade vollständig falschgelegen hatte und ihn nur ein Zufall gerettet hatte.
    »Wie kann man stolz darauf sein, Glück zu haben?«, fragte Lars sarkastisch.
    Sein Gegner warf ihm einen herausfordernden Blick zu, antwortete aber nicht. Lars gab sich völlig ungerührt über den Verlust. Er nutzte ihn sogar, um seinen Gegner psychologisch zu zermürben, machte sich über ihn lustig und zog so die anderen Spieler auf seine Seite. So paradox es klingt, aber sein Gegner erholte sich nicht mehr von seinem Glück, das ihn doch eigentlich hätte beflügeln müssen – nach zwei oder drei ähnlich schlechten Calls erhob er sich mit leeren Taschen vom Tisch. Stunde um Stunde verging. Lars, der ganz in seinem Element war, spielte, ohne die geringste Müdigkeit zu empfinden. Niemand konnte ihm beikommen, er durchschaute die Stärken und Schwächen all seiner Mitspieler, schien auf jeden Coup vorbereitet. Er mischte sich sogar in Spiele ein, an denen er gar nicht teilnahm. Nach zehn Stunden türmten sich vor ihm Chips im Wert von 200 000 Dollar auf. Er beschloss, zu einem anderen Tisch zu wechseln, an dem mit höherem Einsatz gespielt wurde, zumal ihn nur noch wenige Spieler zu attackieren wagten. Lars dachte gar nicht mehr über die Summen nach, die er Spiel für Spiel riskierte. Er amüsierte sich ganz einfach, was ihm einen psychologischen Vorteil über die anderen Spieler verschaffte. In gewisser Weise hatte er nichts zu verlieren. Er bestellte sich ein Sandwich und eine Cola.
    Er entschied sich für Bobby’s Room, einen Pokersaal mit Prestige und Geschichte. Hier trafen Spielergrößen aus der ganzen Welt zu Partien aufeinander, in denen ganze Vermögen den Besitzer wechselten. Viele reiche Industrielle und bekannte Filmschauspieler versuchten hier ihr Glück gegen Profispieler. Nicht selten

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