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Blinder Einsatz

Blinder Einsatz

Titel: Blinder Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Lafani , Gautier Renault
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ließen sie einige Hunderttausend Dollar auf dem Spieltisch zurück. Lars betrat den Saal mit einer gehörigen Portion Ehrfurcht. Mehrere der anwesenden Spieler kannte er aus dem Fernsehen. Er konnte es kaum fassen, dass man einfach nur genug Geld haben musste, um sich mit ihnen an einen Tisch setzen zu dürfen.
    Die Partie begann zunächst sehr verhalten. An seinem Tisch saßen drei Profis und ein Geschäftsmann, der fröhlich plaudernd erzählte, wie er das Vermögen gemacht hatte, das er nun sorglos an die Haie verteilte, die ihn gierig umschwärmten. Lars spürte gleich, dass er hier erst einmal nicht viel zu melden hatte.
    »Hallo, da kommt ja der junge Mann, der ein bisschen Glück gehabt hat. Nun will er mal sehen, wie die richtigen Männer spielen!«, rief ihm ein Spieler in den Vierzigern zu.
    Seine bescheidenen Erfolge hatten also schon die Runde gemacht. Das gab Lars Selbstvertrauen.
    »Eigentlich wollte ich hier nur mal zeigen, wie man heutzutage spielt. Sie machen mir den Eindruck, als hätten Sie sich seit zwanzig Jahren nicht mehr aus diesem Casino hinausbewegt.«
    Das war eine ziemlich scharfe Bemerkung in dieser entspannten Runde, eine offene Herausforderung. Lars war in eine andere Kategorie gewechselt, in der es um andere Gegner, andere Einsätze ging.
    Er platzierte seine Chips auf dem Tisch, grüßte in die Runde und suchte erst einmal die Waschräume auf, um sich ein wenig frisch zu machen. Zu seiner eigenen Verwunderung stellte er fest, dass er gar nicht müde aussah. Als er trotzdem eine Kapsel Aspectil nehmen wollte, musste er feststellen, dass er keine mehr hatte. Dabei empfand er gar kein wirkliches Bedürfnis nach dem Medikament, der Griff nach der Schachtel war ihm einfach zur Gewohnheit geworden.
    Lars gelang es rasch, sich in die Atmosphäre einzufinden. Obwohl die meisten anderen Spieler sich zu kennen schienen, hatte er nicht das Gefühl, ein Außenseiter zu sein. Anfangs war er vorsichtig, vielleicht sogar ein wenig zu vorsichtig, und legte wiederholt eine gute Hand weg. Er spürte deutlich, dass er hier anders spielen musste. Seine Gegner begnügten sich nicht damit, das Spiel zu analysieren: Sie versuchten auch, aus seinen Einsätzen und seinem Verhalten auf seine Karten zu schließen. Lars hatte den Eindruck, dass sie sich manchmal ihre eigenen Karten gar nicht ansahen, für ihn ein Beweis, dass es sich beim Poker keinesfalls um ein simples Glücksspiel handelte. Lars hatte mit 200 000 Dollar in Chips begonnen. Drei Stunden später war sein Vorrat auf 130 000 zusammengeschmolzen. Er hatte nur eine einzige Hand gewonnen und mit zwei Königen reraist, während alle anderen mit einem süffisanten Lächeln gepasst hatten. Das hieß nichts anderes, als dass man seine Taktik mit Leichtigkeit durchschaute. Was das Gewinnen nicht gerade einfach machte. Lars entschied sich dafür, zu dem Stil zurückzukehren, mit dem er den ganzen Tag über so gut gefahren war. Er musste einfach nur aggressiv an die Sache herangehen, etwas riskieren und die Karten gegen den Strich spielen, um Überraschungserfolge zu erzielen. In den folgenden zwei Stunden zahlte sich diese Taktik auch aus, was ihm half, sein Spiel zu entwickeln. Seine Sicherheit wuchs.
    Nach einigen Bluffs, die er allen zeigte, hatte Lars die anfangs verlorenen 70 000 Dollar wieder hereingeholt. Doch seine Gegner passten sich nach und nach seiner Spielweise an. Die Bluffs von Lars verpufften, er traf nun seinerseits auf angriffslustige Spieler, die mehr Geld in der Hinterhand hatten als er. Sie ließen ihn gewissermaßen in seine eigene Falle laufen. Er begann sich über schlechte Karten zu ärgern und sein Pech zu verfluchen. Die Verluste schmerzten ihn, seine Stimmung kippte. Sechs Stunden nach dem Beginn der Partie waren all die Chipstapel vor Lars verschwunden. Sie hatten sich nach einer klassischen Preflop-Konfrontation aufgelöst: Ass König gegen ein Zehnerpärchen.
    Kein König, kein Ass kam Lars zu Hilfe. Seit beinahe achtzehn Stunden saß er nun schon am Spieltisch. Wie war das möglich? Kein einziger Chip lag mehr vor ihm. Er konnte es einfach nicht fassen. Wenn er an das viele Geld dachte, das er verzockt hatte, wurde ihm richtig schlecht. Wie gerne hätte er nun die Uhr ein paar Stunden zurückgedreht. Hätte er doch bloß keinen Fuß in diesen Saal gesetzt, der ihn so magisch angezogen hatte! Was hätte er mit diesem Geld alles machen, was sich alles kaufen können, warum nur hatte er alles riskiert – und alles verloren?

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