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Blinder Einsatz

Blinder Einsatz

Titel: Blinder Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Lafani , Gautier Renault
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korrigiert zurückbringen sollte, seitdem hat ihn kein Mensch mehr gesehen. Der Dekan ist auch schon auf hundertachtzig, ich hoffe, dein Freund hat eine gute Geschichte parat. Ohne Hugh können wir die Noten für die Studenten nicht fertigmachen. Die Verwaltung ist ratlos. Ich glaube kaum, dass die Studenten Lust haben, die Zwischenprüfung zu wiederholen. Kannst du nicht mal bei euch zu Hause nachschauen, vielleicht hat er die Klausuren irgendwo herumliegen lassen, man weiß ja nie.«
    »Er ist seit Montag nicht mehr hier gewesen«, murmelte Constance vor sich hin. Ob das etwas mit ihrem Streit zu tun hatte?
    Das war schon ein starkes Stück. Einfach so zu verschwinden, ohne irgendwem Bescheid zu sagen! Hugh war wirklich ein Chaot. Wie seine Mutter einmal gesagt hatte: »Du wirst noch sehen, Constance, mein Sohn ist ein prima Kerl, aber manchmal kaum zu bändigen, wenn er sich in etwas hineinsteigert, etwas unbedingt will oder wütend wird … seine Qualitäten haben eben auch ihre Schattenseiten.« Aber dass er drei ganze Tage nichts von sich hören ließ und keiner Menschenseele Bescheid sagte … Sie hasste es, von jemandem so im Ungewissen gelassen zu werden. Andererseits fehlte ihr Hugh auch, sonst hätte sie nicht ständig an ihn gedacht. Wenn sie im Ausland war, schickte sie ihm öfter eine SMS. So blieben sie täglich in Kontakt, wenn auch nur mit kleinen Botschaften.
    »Falls ich etwas von ihm höre, sag ich ihm, dass du ihn suchst.«
    »Ja, das wäre toll. Ich muss los, ich habe noch ein paar mündliche Prüfungen abzunehmen. Wenn du noch hierbleiben willst, lasse ich dir den Schlüssel da. Du kannst ihn einfach im Sekretariat abgeben.«
    »Danke, ich wollte noch mal schauen, ob ich in seinen Papieren einen Hinweis finde.«
    »Na, dann viel Spaß, sein Schreibtisch ist immer der reinste Saustall. Ordnung ist ein Fremdwort für Hugh.«
    Constance wühlte weiter in seinen Papieren, ohne genau zu wissen, wonach sie eigentlich suchte. Sie überlegte angestrengt. Wohin hätte er denn überhaupt gehen können? Will fiel ihr ein, ein Freund von Hugh aus Kalifornien, der in Nanterre wohnte. Sie schickten sich häufig Nachrichten über MSN und spielten Poker im Internet. Sie hatte ihn schon öfter gesehen, ein paar Mal war Will auch spontan zu Besuch gekommen. Ein sympathischer Kerl, ein bisschen durchgeknallt, ein Abenteurertyp, immer auf der Suche nach einer Herausforderung, ein Ass auf dem Surfbrett und dem Snowboard. Einmal hatte er ihnen einen Werbeclip gezeigt, in dem er von einer Brücke in zehn Grad kaltes Wasser gesprungen war. »Nicht gedoubelt«, hatte er stolz betont. Hugh hatte Constance von seiner Begegnung mit Will erzählt. Außer ihrer Begeisterung für Frankreich teilten sie noch andere Leidenschaften. Sie kannten sich vom College, hatten zusammen im Sturm einer Hockey-Mannschaft gespielt, bei den Flying Wings, waren gefeiert und von den Mädchen umschwärmt worden. Zu jener Zeit hingen sie häufig in den Bars herum und verfolgten die großen Sportereignisse bei einem Bier. Eines Abends gerieten sie ohne eigenes Zutun in eine Schlägerei. Will rettete Hugh, der bereits schwer angeschlagen am Boden lag, vor einem Typen, der mit dem Baseballschläger auf ihn losgehen wollte, und vermöbelte den Kerl nach Strich und Faden. Seit jenem Tag hatte Will bei Hugh einen Stein im Brett. Als Will dann nach Paris kam, um Mathematik zu studieren, hatte Hugh ihm geholfen. Inzwischen war auch Will Doktorand.
    Wenn Hugh also einen Freund gesucht hatte, mit dem er sich über seine Beziehung zu Constance aussprechen konnte, dann war es gut möglich, dass er zu Will gefahren war.
    »Hallo Will! Hier ist Constance.«
    »Constance! Wie geht es dir?«
    »Gut. Ich wollte eigentlich nur wissen, ob Hugh bei dir ist.«
    »Hugh? Nein, wieso? Sollte er?«
    »Ich weiß nicht.«
    Einige Sekunden Schweigen.
    »Würdest du es mir sagen, wenn er da wäre?«
    »Aber selbstverständlich. Was ist denn überhaupt los?«
    Es war eine herbe Enttäuschung für Constance, dass Hugh nicht bei Will war. Sie hatte schon fest daran geglaubt. Jetzt spürte sie, dass ihr die anstrengende Reise nach Kasachstan noch in den Knochen steckte. Aber Ausruhen kam nun nicht in Frage. Ihre Stimme begann zu zittern.
    »Wir haben uns letzten Sonntag gestritten, und seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört. Er ist nicht zu Hause, er ist nicht an der Uni, und er hat mir diese SMS geschickt … ich weiß nicht mehr weiter, ich verstehe das alles nicht …

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