Blinder Einsatz
Vermögensanlagen spezialisieren. So ist ein Steuerparadies entstanden, das es großen Unternehmen ermöglicht, sich dem wachsamen Auge internationaler Organisationen zu entziehen. Wer sich in Nassau niederlässt, hat guten Grund dazu.
London, Sitz von One Search Ltd., drei Jahre zuvor
Philippe Bloker arbeitete als Informatiker bei One Search Ltd., einer auf Unternehmensfinanzierung spezialisierten Bank mit Sitz in London. Einen großen, wenn auch kurzlebigen Triumph erlebte der Informatikspezialist für Wertpapierhandel, als er 2002 Eventnews entwickelte, eine Software, die Finanzinformationen auf neue Weise aufbereitete und vereinfachte. Damit hatte One Search Ltd. ein Jahr lang die Nase vorn, bevor die Konkurrenz mit einer ähnlichen Software nachzog. Nachdem die Euphorie dieses Erfolgs verflogen war, ging es allerdings mit Philippe Bloker nicht weiter. Er arbeitete immer noch im selben Büro, das einem Saustall glich, obwohl er immer behauptete, er würde sich dort zurechtfinden. Von der Unternehmensleitung hatte er weder Dank noch Blumen bekommen – man hatte ihn mittlerweile vergessen.
Als er von Brüssel nach London wechselte, war ihm der Ruf eines kreativen und ausgebufften Informatikers vorausgeeilt. Mit seinem Rechner unter dem Arm war er bei den verschiedensten Firmen vorstellig geworden und hatte ihnen seine Ideen präsentiert. Waren seine Gesprächspartner erst einmal über die ungekämmten Haare, das halb aus der Hose hängende Hemd und die mangelnden Englischkenntnisse des jungen Belgiers hinweggekommen, ließen sie sich rasch beeindrucken. Philippe flogen die Angebote nur so zu. Schließlich hatte er sich für One Search Ltd. entschieden, ein Unternehmen, das ihm die größtmögliche Freiheit für die Entwicklung seiner Ideen zu lassen schien. Mit dem Projekt Five Years Gold , dessen Ziel es war, One Search Ltd. innerhalb von fünf Jahren eine Spitzenposition unter den innovativen Banken zu verschaffen, glaubte er genau das Richtige für sich gefunden zu haben.
Dass der Erfolg von Eventnews sich nicht für ihn auszahlte, hatte ihn verbittert. Wenn er hörte, wie sich sein Chef nun in den Medien mit seinen »Aktionen« und seinen »Produkten« brüstete, überkam ihn kalte Wut. Auch wenn er nach außenhin so tat, als würden ihn Beförderungen und Prämien nicht interessieren, wurmte es ihn, dass man ihn vergessen hatte.
Philippe, dem frühmorgens, wenn alles noch ganz still war, die besten Ideen kamen, begann seinen Arbeitstag meist vor allen anderen. Dann schlenderte er manchmal durch die leeren Büros und atmete tief aus und ein, so als würde er einen besonderen Augenblick auskosten. Die Hände in den Hosentaschen vergraben stand er minutenlang vor dem Fenster seines Büros. Manchmal unterhielt er sich auch mit Lydia, der Sekretärin des Chefs, die ebenfalls sehr früh anfing. Lydia hatte sich gerade mit einer Tasse Kaffee an ihren Schreibtisch gesetzt. Er liebte es, sie ein wenig zu necken oder sie zum Lachen zu bringen. Schon lange fragte er sich, wie wohl das Leben dieser Frau in den Vierzigern aussah, die jeden Tag tipptopp aufgemacht in aller Frühe zur Arbeit erschien. Doch was ihre Privatsphäre anging, war sie sehr zugeknöpft. Eigentlich wusste er von ihr nur, dass sie einen deutlich jüngeren, schwer kranken Bruder hatte. Verheiratet war sie jedenfalls nicht.
»Du hast heute Morgen aber kleine Augen.«
»Ich weiß. Ich habe die ganze Nacht über einer neuen Software gegrübelt, ich hänge da an einer Sache fest.«
»Man braucht seinen Schlaf … dass du mir keine Dummheiten machst!«
»Dummheiten? Ah! Solche Dummheiten! Ich doch nicht, in dieser Hinsicht bin ich ganz solide. Wie steht’s denn mit dir?«
»Wie, mit mir?«
»Wie läuft die Arbeit, meine ich?«
»Ach so! Geht so. Wenn der Chef nur nicht seinen ganzen Ärger immer an mir auslassen würde. Und du, was gibt’s Neues?«
»Nichts. Ich habe nicht den Eindruck, dass etwas Spannendes auf mich wartet.«
»Und warum nicht?«
»Wenn ich daran denke, was ich für Eventnews bekommen habe … einen warmen Händedruck, sonst nichts. Während die Firma ein Jahr lang wegen des Wettbewerbsvorteils auf einer Erfolgswelle geschwommen ist. Und mich behandelt man wie einen Botenjungen …«
»Stimmt schon, mit Dank schmeißt hier keiner um sich.«
»Das kannst du laut sagen. Na ja, immerhin ist es ein kreativer Job, aber etwas Anerkennung wäre manchmal auch nicht schlecht.«
»Ich habe neulich ein paar Gesprächsfetzen
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