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Blinder Einsatz

Blinder Einsatz

Titel: Blinder Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Lafani , Gautier Renault
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irgendwelche Neuigkeiten über Hugh finden? Ihre Englischkenntnisse, die sie im Beruf und nicht zuletzt auch in der Beziehung mit Hugh geschärft und vertieft hatte, waren ziemlich gut, die Lektüre der Zeitung bereitete ihr keinerlei Schwierigkeiten. Manchmal träumte sie sogar auf Englisch, ein deutliches Signal, dass ihre Arbeit sie bis in ihr Privatleben verfolgte.
    Wenn NYT etwas bedeutete, vielleicht ließ sich dann auch in den anderen Buchstaben ein Sinn finden, der nicht einfach nur mit Poker zu tun hatte. Aber welche der Abkürzungen?
    AA. AD. Nh. TY.
    Sie sagte sich die Buchstaben mit lauter Stimme vor, schrieb sie nieder, kombinierte sie neu, suchte nach einer Verbindung.
    AD konnte auf Englisch »Kleinanzeige« bedeuten. AD NYT? Nein, das war doch zu unwahrscheinlich …
    Andererseits, warum eigentlich nicht, so abwegig war das gar nicht: eine Kleinanzeige in der New York Times . Auch wenn die Chance nicht groß war, hatte Constance doch zum ersten Mal das Gefühl, ein Stückchen voranzukommen. Immerhin eine mögliche logische Verbindung zwischen zweien der Elemente. Sie entschied, die Sache zu überprüfen. Auf der Website der New York Times konnte man die Kleinanzeigen nicht einsehen, die gab es nur in der Printausgabe. Rasch zog sie sich an. Sie spürte, dass sie kurz vor dem Durchdrehen war, doch sie hatte niemanden, mit dem sie sich austauschen konnte. Nun aber klammerte sie sich an diese Hoffnung wie an einen rettenden Strohhalm.
    Es dämmerte bereits, als sie wieder die Bibliothek des Centre Georges Pompidou betrat. Sie ging zum Zeitungsständer, suchte die Ausgaben der New York Times zusammen, die seit dem Verschwinden von Hugh erschienen waren, und begann die Kleinanzeigen durchzusehen – eine mühselige Angelegenheit. Sie fotokopierte die Anzeigen, die ihr interessant schienen, schnitt sie aus und klebte sie in ein großes Heft. Nach zwei Stunden konzentrierter Arbeit hatte sie ein Dutzend Anzeigen zusammen, die sie noch genauer unter die Lupe nehmen wollte. Zwei darunter, im Abstand von einigen Tagen erschienen, waren ihr besonders aufgefallen. Die erste stammte vom Tag nach Hughs Verschwinden.
    »Der König wartet immer noch auf sein Geschenk.«
    Die zweite war in der Morgenausgabe erschienen.
    »Judith hat den Geburtstag ihres Königs nicht vergessen. Komm mit dem doppelten König zum Fluss, dann bringe ich übermorgen Herz Fünf und Sechs.«
    Judith! Offenbar war die Spur, die sie verfolgte, doch nicht so abwegig. Aber was bedeuteten die Annoncen? Darauf konnte sich Constance keinen Reim machen. Nur dass es wieder einmal um Poker zu gehen schien. Wer konnte ihr helfen, nun da Will tot war? Sie kannte sonst niemanden, der Poker spielte. Ohne Experten würde sich das Rätsel nicht lösen lassen.
    Es half nichts, sie musste einfach einen Pokerspieler finden, der ihr diese Sätze entschlüsseln konnte. Da fiel ihr die Pokerrunde auf der Champs-Élysées wieder ein, von der ihr Hugh erzählt hatte, obwohl er selbst nie dort hingegangen war. Denen konnte sie die Annoncen vielleicht zeigen. Aber warum sollten die sich die Mühe machen, sich damit zu beschäftigen? Unterwegs legte sie sich eine Geschichte zurecht. Ein Rätsel. Ein Ratespiel im Fernsehen. Das klang halbwegs plausibel, und ihr Charme und ein paar nette Worte würden für den Rest sorgen.
    Der Aviation Club de France. Ein legendäres Etablissement, das rund um die Uhr geöffnet hat. Constance betrat es, ohne dass das Sicherheitspersonal am Eingang mehr sagte als »Bonjour, Mademoiselle«. Sie stieg in den ersten Stock hinauf, wo Holzvertäfelung und warme Töne vorherrschten. Hier musste Constance feststellen, dass man eine Mitgliedskarte sehen wollte. So blieb ihr nichts anderes übrig, als einen Jahresbeitrag von 100 Euro zu entrichten und sich die Fingerabdrücke abnehmen zu lassen, obwohl sie doch eigentlich nur ein paar Auskünfte haben wollte. Sie hörte gar nicht zu, als man ihr den Mitgliedsvertrag erläuterte, sie wollte nur so schnell wie möglich hinein. Es erinnerte ein wenig an die Aufnahme in einen Geheimzirkel – dadurch erhielt das Pokerspiel einen Hauch von Verschwörung und Gefahr. Endlich waren die Formalitäten erledigt, und man ließ sie ein.
    »Entschuldigen Sie, ich habe den Eindruck, Sie sind neu hier. Kann ich Ihnen behilflich sein?«
    Constance ergriff die Gelegenheit beim Schopf. Ein kleiner Flirt, etwas Besseres konnte ihr nicht passieren. Sie blickte einladend auf den leeren Stuhl neben sich und breitete

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