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Blinder Einsatz

Blinder Einsatz

Titel: Blinder Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Lafani , Gautier Renault
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feststellen. Sie fühlte sich zunehmend unwohl unter den vielen Menschen auf der Straße und hatte das dringende Bedürfnis, irgendwo in Ruhe nachzudenken. Schließlich betrat sie ein Café in der Rue Montorgueil. Dort ertrug sie bald die lauten Stimmen nicht mehr. Alle Leute schienen über das Massaker von Nanterre zu reden. Man diskutierte darüber, wie so etwas in Frankreich passiert konnte, und zog Vergleiche zu den Tragödien an der Colombine High School und der Virgina Tech. Jeder sprach von dem Durchgeknallten in Nanterre, der wahllos Menschen erschossen hatte. Doch Constance wusste, dass es anders gewesen war. Ihre Verzweiflung wuchs mit jedem Augenblick, krampfhaft versuchte sie zu verstehen, was um sie herum vorging. Mit dem Ergebnis, dass sie bald in geradezu paranoider Weise alles Mögliche in die Worte und Gesten der Leute hineinlas.
    Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und flüchtete an die frische Luft. Sie ging in die Bibliothek des Centre Georges Pompidou. Einige Studenten standen am Eingang und ließen geduldig eine Durchsuchung ihrer Rucksäcke über sich ergehen. In der zweiten Etage, wo die Belletristik stand, setzte Constance sich an einen Tisch und schaute sich um: Sämtliche Studenten hatten die Nase in ein Buch gesteckt oder machten eifrig Notizen. In dieser konzentrierten Atmosphäre löste sich ihre Unruhe etwas. Sie zog das Blatt Papier aus ihrer Handtasche, das sie auf dem Schreibtisch von Hugh gefunden hatte – es war das Einzige, was sie im Augenblick von ihm hatte. Punkt für Punkt ging sie durch, was er notiert hatte, nicht ohne dabei immer wieder vorsichtig über die Schulter zu schauen. Dieses Blatt Papier führte sie direkt ins Universum der Karten, in die Welt des Online-Poker.
    Will hatte ihr erklärt, dass die Vornamen etwas mit Kartenfiguren zu tun hatten. Constance suchte ein Wörterbuch und einige Nachschlagewerke, die sich mit der Symbolsprache des Pokerspiels beschäftigten, und versuchte herauszubekommen, was der erste Name, Alexandre, zu bedeuten hatte. Er stand für den Kreuzkönig und bezog sich auf Alexander den Großen. Constance durchstöberte seine Biographie in der Hoffnung, darin etwas Aufschlussreiches zu finden. Womit sie lediglich ihre Allgemeinbildung auffrischte, denn sie konnte darin keinerlei Zusammenhang mit dem Verschwinden von Hugh entdecken. Sie wandte sich David, dem König von Israel alias dem Pikkönig, zu, aber auch der wollte sein Geheimnis nicht preisgeben. Und dann war da noch Judith, der Name, der ihr ganz besonders im Kopf herumging, weil Hugh ihn am Abend vor seinem Verschwinden erwähnt hatte. Judith, die Herzdame: eine Gestalt aus der Bibel, sie hatte Holofernes, einem Feldherrn des Nebukadnezar, während der Belagerung der Bergfestung Betulia den Kopf abgeschlagen. Auch bei ihr suchte Constance in den historischen Berichten nach einem verborgenen Sinn, einem roten Faden. Es musste einen Grund haben, dass diese drei Namen Hugh beschäftigt hatten. Um nichts zu übersehen machte sie sich eine Liste der anderen Namen, die die französischen Bildkarten tragen: Lahire, Hector, Ogier, Lancelot, Rachel, Pallas, Argine, César und Charles. Doch auch hier konnte sie keine Zusammenhänge herstellen, jedenfalls so weit ihre Kenntnisse in Geschichte, Mythologie und Religion reichten. Nachdem sie eine Weile vergebens recherchiert hatte, fragte sich Constance, ob es ihr überhaupt gelingen würde, dem Blatt Papier etwas Brauchbares zu entlocken. Da erinnerte sie sich daran, dass Will Anfragen an ein Forum gerichtet hatte. Irgendwas war ihm an den beschriebenen Pokerspielen seltsam vorgekommen. Aber was? Sie ging an einen Computer, um seine Mails zu lesen und den Links nachzugehen, die er ihr geschickt hatte. Doch die Seiten, die sie anklickte, halfen ihr auch nicht weiter. Die dort geführten Diskussionen waren sehr technisch ausgerichtet und mit Spezialvokabular gespickt: Slowplay, committed, Check-fold. Sie überflog etliche der Kommentare. Was Will dort eingestellt hatte, hatte offenbar eine lebhafte Diskussion angestoßen. Constance verstand immerhin so viel, dass alle Spieler des Forums den Ablauf von Judiths Pokerpartien ungewöhnlich fanden, vor allem angesichts der gesetzten Summen. Was war das für Geld? Verstörende Gedanken schossen Constance durch den Kopf. In was für eine Geschichte war Hugh da nur geraten?
    Sie wollte auf keinen Fall in ihre Wohnung zurückkehren. Die Angst, dass ihr jemand dorthin folgte, war einfach zu groß. Immer

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