Blinder Einsatz
größten Stahlkonzerne Europas, von 1998 bis 2001 war sie Wirtschaftsministerin in den Niederlanden.
Zu den wichtigen Aufgabenfeldern, die Eline Haarmet in Brüssel übernehmen wird, gehören Mobiltelefonie, Verkehr und Energie. Auf dem neuen Posten wird sie eine der wichtigsten Frauen Europas sein. Der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt wird sie vom amerikanischen Magazin Forbes auf Platz 38 der Liste der mächtigsten Frauen der Welt geführt.
Constance las den Artikel mehrfach durch. »Platz 38« in der Rangliste der mächtigsten Frauen der Welt. Ihre Recherchen hatten sie also ins Zentrum der europäischen Verwaltung geführt, in einen Bereich von Macht und Geld, der weitgehend unbeobachtet von der Öffentlichkeit arbeitete. Auf ihren Geschäftsreisen hatte Constance Vertreter der Europäischen Union in den verschiedensten Ländern kennengelernt. Jedes Land der EU muss seinen Einfluss selbstständig und als Mitglied der Staatengruppe geltend machen. Das Ergebnis ist oft ein Hauen und Stechen zur Durchsetzung von Interessen, bei dem zwar kein Blut, aber viel Geld fließt und bei dem am Ende immer die großen Konzerne gewinnen. Dass eine Europakommissarin für Wettbewerb als eine der mächtigsten Frauen der Welt galt, überraschte Constance also nicht: Eline Haarmets Aufgabe war es, auf einem Markt von 350 Millionen Menschen im Kampf um Geld und Macht den freien Wettbewerb zu sichern.
Doch wo war nun der Zusammenhang zu Hugh, dem amerikanischen Doktoranden an der Sorbonne? Hatte er sich mit Dingen beschäftigt, von denen sie nichts wusste? Constance, völlig auf sich gestellt, fiel es zunehmend schwerer, Realität und Einbildung auseinanderzuhalten. Sie riss sich zusammen und erstellte eine Liste dessen, was sie bisher erreicht hatte:
1. Es war ihr gelungen, einen geheimen Code zu entziffern: AA, AD, Nh, TY.
2. Sie hatte einen Zusammenhang zwischen den Vornamen (Judith, Alexandre), Poker und Spielverlusten herstellen können.
3. Sie war hinter den Sinn einer Kleinanzeige in der New York Times gekommen.
4. Sie hatte ein mysteriöses Treffen zwischen der Europakommissarin für Wettbewerb und einer unbekannten Person beobachtet.
Was aber hatte Eline Haarmet nun mit Poker zu tun? Constance dehnte ihre Recherchen auch auf ältere Artikel aus. Über Eline Haarmet berichteten die Zeitungen schon seit zwanzig Jahren, stets im Zusammenhang mit Wirtschaftsthemen. Mit ein paar Klicks hatte Constance ihre gesamte, ziemlich beeindruckende Laufbahn zusammen. Anfang der 1980er Jahre hatte Eline Haarmet sich in den Niederlanden als Studentenführerin hervorgetan. Sie begnügte sich jedoch nicht mit der politischen Theorie, sondern leistete auch konkrete Arbeit, vor allem bei den Universitätsreformen in ihrem Land. Insbesondere hatte sie sich dafür eingesetzt, jungen Menschen den Einstieg ins Wirtschaftsleben zu erleichtern. Dieses frühe Engagement half ihr später, als sie in den Vorstandsetagen verschiedenster niederländischer Unternehmen saß. Parallel dazu wirkte sie im Arbeitgeberverband. Schließlich übernahm sie auch politische Verantwortung, erst als niederländische Wirtschaftsministerin, nun als Europakommissarin.
Eigentlich kaum verwunderlich, dass jemand, der sich in diesen Sphären der Macht bewegte, auch mit zwielichtigen Geschichten zu tun hatte. Die Sache wurde immer komplexer und gefährlicher. War Korruption im Spiel? Ging es um brisante Staatsgeheimnisse? Gerne hätte sie mit jemandem geredet, aber seit Wills Tod wagte sie sich niemandem mehr anzuvertrauen. Die einzige Möglichkeit, die sich ihr bot, war, mit Eline Haarmet Kontakt aufzunehmen und einen ihrer eigenen Trümpfe gegen sie zu verwenden: ihren hohen Bekanntheitsgrad. Immerhin konnte Constance ihr drohen, die Presse einzuschalten, auch wenn ihr konkrete Beweise bislang fehlten. Falls Eline Haarmet etwas mit der Sache zu tun hatte, konnte sie das nicht einfach ignorieren. Constance wusste sehr wohl, welcher Gefahr sie sich damit aussetze. Vielleicht steckte ja Eline Haarmet selbst hinter den Leuten, die Hugh entführt und Will getötet hatten. Wenn es ihr gelang, die Europakommissarin unter vier Augen zu sprechen, würde sich ja zeigen, ob sie es wagte, sich durch einen unbedachten Schritt zu kompromittieren.
9. Juli, 8.30 Uhr
Constance frühstückte in einem Café unweit der Europäischen Kommission. Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren.
Sie hatte wenig in der Hand, ging aber trotzdem ein Risiko ein, um doch noch an ein
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