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Blinder Einsatz

Blinder Einsatz

Titel: Blinder Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Lafani , Gautier Renault
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aussichtsreiches Blatt zu kommen – beim Poker nennt man so etwas einen Semibluff.
    Während sie an ihrem Kaffee nippte und an ihrem Croissant knabberte, überflog sie die Zeitung. Im Grunde zweifelte sie am Gelingen ihres Plans. Aber einen besseren hatte sie nicht.
    Eine halbe Stunde wartete sie vor dem Eingang der Europäischen Kommission. Zuerst hatte sie tatsächlich versucht, auf die Aufzüge zuzusteuern, doch diesmal war sie ohne Ausweis nicht am Sicherheitspersonal vorbeigekommen und an den Empfang verwiesen worden.
    »Guten Tag, ich würde gerne Madame Eline Haarmet sprechen.«
    »Haben Sie einen Termin?«
    »Nein, aber ich komme aus Frankreich und …«
    »Und was? Da glauben Sie, man könnte sich so einfach hier an der Rezeption bei Frau Haarmet anmelden?«
    »Ja, also nein, da haben Sie wohl recht.«
    »Spazieren Sie etwa auch in den Élyséepalast, wenn Sie mit dem Präsidenten plaudern wollen?«
    »Nein, natürlich nicht, er ist immerhin der Präsident …«
    »Das ist hier nicht viel anders. Madame Haarmet ist eine der drei höchsten Persönlichkeiten der Europäischen Kommission. Hier haben Sie die Nummer ihres Büros. Versuchen Sie Ihr Glück.«
    Diese Reaktion überraschte Constance natürlich nicht. Sie hatte einfach ausprobieren wollen, wie weit sie mit ihrer Dreistigkeit kam. Aber sie hatte noch ein Ass im Ärmel – die drei Prinzipien, die man beachten muss, wenn man an Entscheidungsträger herankommen will: niemals der Sekretärin sagen, worum es geht, ihr gegenüber selbstsicher, direkt und ein wenig herablassend auftreten und sie vor allem spüren lassen, dass man mit der gewünschten Person auf einer Ebene steht. Also rief sie in der Zentrale an.
    »Guten Tag, hier ist Marie Dubreuil vom französischen Wirtschaftsministerium, ich möchte gerne die persönliche Assistentin von Madame Haarmet sprechen.«
    »Einen Augenblick, bitte.«
    Constance setzte alles daran, überzeugend zu wirken.
    »Inge van Basten.«
    »Marie Dubreuil. Ich rufe Sie im Auftrag des französischen Wirtschaftsministers an. Ich habe eine dringende Nachricht für Madame Haarmet. Sie notieren?«
    »Der Wirtschaftsminister, sagen Sie?«
    »Ja. Hören Sie, ich habe nicht viel Zeit, wenn Sie vielleicht einfach die Nachricht aufnehmen würden.«
    »Bitte.«
    »Der König ist nicht zufrieden mit Judith. Erbitte sofortigen Rückruf, um die Sache zu klären.«
    Constance nannte ihre Handynummer.
    »Wie bitte? Ich verstehe nicht.«
    »Macht nichts. Das ist ja auch nicht Ihre Aufgabe. Leiten Sie die Nachricht einfach so schnell wie möglich weiter.«
    Constance legte rasch auf. Am besten, sie gab der Assistentin gar keine Gelegenheit zu Nachfragen. Je verblüffter sie war, desto eher würde sie die Vorstellung akzeptieren, dass etwas Wichtiges im Gange war, worüber sie Eline Haarmet umgehend informieren musste.
    Die folgenden Minuten kamen Constance, die angespannt vor ihrem iPhone saß, wie eine Ewigkeit vor. Hatte die Assistentin die Sache geschluckt?
    Da leuchtete das Display auf. Ein Anruf mit unterdrückter Nummer. Constance ließ es zweimal klingeln, bevor sie annahm.
    »Eline Haarmet. Sie möchten mich sprechen?«
    »Ja. Ich muss Sie sogar dringend sprechen. Ich stehe vor dem Gebäude der Kommission. Also bitte …«
    »Bitte was? Wer sind Sie überhaupt? Glauben Sie, Sie können mich einfach so vor die Tür rufen?«
    »Hören Sie, ich glaube, es wäre auch für Sie sinnvoll, wenn wir uns über Judith unterhalten. Sie möchten sicher nicht, dass ich gewisse Informationen weitergebe, was ich ganz sicher tun werde, wenn Sie nicht mit mir reden.«
    Auf einmal war es ganz still am anderen Ende der Leitung.
    »Ich habe in einer halben Stunde eine Pressekonferenz im Regency Palace. Erwarten Sie mich in zehn Minuten an der Ecke gegenüber am Ostausgang der Kommission. Ich komme in einem schwarzen Mercedes. Sie haben fünf Minuten.«
    Aufgelegt. Constance spielte nervös mit ihrem Handy. Nun hatte sie zwar erreicht, was sie wollte, aber keine Ahnung, was sie Eline Haarmet eigentlich sagen wollte. Jedenfalls nicht genau. Kurz überfiel sie eine lähmende Angst. Sie schaute auf die Uhr und ging dann Richtung Ostausgang. An der Ecke der Straße blieb sie stehen und sah aufmerksam jedem Auto entgegen, das sich der Kreuzung näherte. In ihrem Kopf purzelte alles durcheinander: Poker, Judith, Will, Hugh. Es gab vieles, das sie Eline Haarmet in den fünf Minuten erzählen wollte. Doch über den entscheidenden Punkt wusste sie nicht das

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