Blinder Einsatz
Spiel, und ihre Hauptaktionäre würden ihr nicht den geringsten Fehler verzeihen. Sie wusste ganz genau, dass man sie, wenn nötig, einfach vor die Tür setzen würde. Davor bewahrte sie auch ihr Name nicht.
»Wir haben Mr. Datzyuk eine Nachricht hinterlassen. Er wird Sie anrufen, sobald seine Besprechung zu Ende ist.«
Jane Kramer war besorgt. Konnte sie das von ihrem Strategieexperten geschickt ausgetüftelte Projekt wie geplant durchziehen? Sie war die Erste, die sich für diesen Plan ausgesprochen hatte. Vor der Führungsriege, den Hauptaktionären und ihren Angestellten zeigte sie grundsätzlich keinerlei Schwäche. Doch der Druck war enorm. Sie hatte dieses Projekt unterstützt, da die Aktionäre, darunter etliche Familienmitglieder, schlichtweg eine höhere Rendite verlangten.
Aus ihrer Generation war sie die Einzige, die fähig war, einen solchen Konzern zu leiten. Ansonsten bestand der Kramer-Clan aus verwöhnten Söhnen und Töchtern, denen das Familienvermögen ein angenehmes und sorgenfreies Leben ermöglichte. Sie beobachteten die Aktivitäten der Firma aus der Ferne und interessierten sich nur für die alljährliche Dividende. In den letzten Jahren war diese niedriger ausgefallen, was die Familie veranlasst hatte, Jane massiv unter Druck zu setzen und das Kapital für ausländische Investoren zu öffnen.
Tagtäglich sah sich Jane Kramer auch mit allerlei Animositäten unter den Verwandten und dunklen Familiengeheimnissen konfrontiert. Manchmal hatte sie nicht übel Lust, den ganzen Kram hinzuschmeißen, doch dann erinnerte sie sich wieder daran, dass ihr Vater ihr persönlich die Firmenleitung übertragen hatte. Ihr Bruder wäre dazu nicht in der Lage gewesen. Das hatte der Vater schnell erkannt und all seine Hoffnungen auf Jane gesetzt. Mit achtzehn hatte sie davon geträumt, Künstlerin zu werden, eine berühmte Pianistin, die die Welt bereiste und überall für ihr Talent und ihr wohltätiges Engagement gefeiert wurde. Doch ihr Vater hatte andere Pläne mit ihr. Nach und nach hatte er sie davon überzeugt, ein Wirtschaftsstudium an einer bekannten Universität zu absolvieren und sich für die Belange des Konzerns zu interessieren. Und schließlich hatte sie Gefallen daran gefunden, an den Erfolgen teilzuhaben, Tausenden von Angestellten einen Arbeitsplatz zu sichern und außerdem den Lebensunterhalt des Familienclans zu garantieren. In den Augen ihrer Angehörigen, vor allem in denen ihres Vaters, las sie Anerkennung und Dank. Während der ersten Jahre an der Spitze des Unternehmens hielt er die unangenehmen Seiten dieser Tätigkeit möglichst von ihr fern, offenbar auch den Druck, den der Clan ausübte. Mit der Zeit hatte sie dennoch die Widrigkeiten ihrer Position kennengelernt. Doch sie hätte es nie gewagt, sich zurückzuziehen, sondern widmete ihr Leben ganz der Arbeit. Aus ihrer ersten, nur sehr kurzen Ehe hatte sie einen Sohn, der neben ihrer Tätigkeit ihr ganzer Lebensinhalt war. Er gab ihr die Möglichkeit, sich einzureden, sie sei eine Frau wie alle anderen. Aber auch Selbsttäuschung hatte ihre Grenzen.
Und nun war sie die Verantwortliche für einen Plan, der ihr offenbar über den Kopf wuchs. Ihr Strategieberater war überzeugt, dass die Operation funktionieren und das Ergebnis auch die Aktionäre überzeugen würde. Aber die Sache musste geheim bleiben. Und nun stellte sie fest, dass offenbar Informationen durchgesickert waren. Wie sonst hatte dieser Mann ihr so präzise Fragen stellen können? Angst überkam sie, sie fühlte sich überfordert, befürchtete aber vor allem, dass man sie allein für die Sache verantwortlich machen werde. Doch nach außen wahrte sie die Fassade. Was hätte sie auch sonst tun sollen?
London, am nächsten Tag in Noahs Büro
Endlich gelang es Noah, Philippe zu erreichen.
»Na, alles in Ordnung?«
»Ich schätze, die Umleitung auf die Website der Konkurrenz hat denen ganz und gar nicht gefallen. Sie haben begriffen, dass ich am längeren Hebel sitze. Jetzt kann ich wirklich verhandeln. Sie wollen mich heute anrufen und mir ein Angebot machen.«
»Haben sie sich schon gemeldet?«
»Ja.«
»Hat sich der Anrufer mit Namen vorgestellt?«
»Nur mit Vornamen: Alexander.«
»Und welche Firma hat er genannt?«
»Kramer.«
»Bist du ganz sicher? Powerfood hat er nicht erwähnt?«
»Nein, bestimmt nicht. Sobald sie mir einen Deal anbieten, informiere ich dich. Und wie war deine Aktionärsversammlung?«
»Sehr interessant. Kramer will in die
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