Blinder Einsatz
Unterhaltungsbranche einsteigen und mit Hilfe von Doc Fountain neue Märkte erobern. Dieser Domainname ist also ein wichtiger Punkt ihrer Strategie, und es würde mich nicht wundern, wenn sie dir eine große Summe anböten. Denn der Startschuss soll in zwei Wochen in Las Vegas fallen, das heißt, sie haben keine Zeit zu verlieren.«
Noah legte auf und wandte sich wieder seiner Marktstudie über Erfrischungsgetränke zu. Jane Kramer hatte davon gesprochen, den Softdrinkmarkt aufmischen und neue Fakten schaffen zu wollen. Wenn sie nicht mit einem anderen Getränk fusionierten, würde eine einfache Neupositionierung den Umsatz um maximal zwei Prozent erhöhen. Und selbst das würde auch nur gelingen, wenn sie einen zugkräftigen Partner in den Medien fanden. Vielleicht hatten sie sich einfach nur vergaloppiert? Aber wenn ein so mächtiger Konzern beschloss, einen neuen Markt zu erobern, war es schon erstaunlich, dass seine Strategie so viele Unklarheiten enthielt. Offenbar konnten sich nur die Aktionäre über die angekündigten Erfolge freuen. Die Gründung von Kramer Entertainment war zwar absolutes Neuland für den Konzern, doch das internationale Wirtschaftsgefüge würde sich dadurch nicht verändern. Die anderen Großkonzerne würden auch mit diesem neuen Konkurrenten, so mächtig er auch sein mochte, klarkommen. Noah fehlte der Schlüssel zum Ganzen, der entscheidende Hinweis in der Rede der Vorstandsvorsitzenden. Und den galt es zu finden. So viel Geld für eine Werbekampagne auszugeben, schien unvernünftig. Oder fürchtete Kramer Investment etwa um seine Zukunft? Mussten die Finanzen auf Vordermann gebracht werden? Die Zahlen, die Noah vorlagen, belegten das Gegenteil – das Unternehmen stand finanziell gut da. Sicher, es erwirtschaftete keine satten Profite, aber für die derzeitige Wirtschaftskrise war das Ergebnis nicht schlecht. Vielleicht würde das eigentliche Ziel in Las Vegas enthüllt werden. Hatte diese außerordentliche Versammlung womöglich noch einen anderen Zweck gehabt, als die Aktionäre zu informieren? War sie ein Hinweis darauf, dass die Welt in vierzehn Tagen in Las Vegas große Neuigkeiten von Kramer erwarten durfte? Und das vielleicht nicht nur im Hinblick auf neue Partnerschaften. Diese Vorstellung gefiel Noah. Sie würde auch Jane Kramers Unbehagen erklären. Vielleicht hatte sie mit ihrer Rede nur die Vorarbeit geleistet, um eine breite Zustimmung für die Neuorientierung zu erreichen – sozusagen als Einstimmung auf die große Enthüllung. Noah hatte noch immer keine Ahnung, worin die bestehen konnte.
Doch er war überzeugt davon, dass ein Teil der Antwort bei Doc Fountain zu finden war. Ungeduldig wartete er auf Philippes Anruf. Wie viel wäre Kramer bereit zu zahlen? Die Zeit drängte. Würden sie mehr als 500 000 Dollar bieten, so war das ein Beweis dafür, dass sie weit ehrgeizigere Pläne hegten als auf der Aktionärsversammlung angekündigt.
Boston, am selben Tag
Die meisten Aktionäre hatten Jane Kramer zu ihrer Rede und den neuen Perspektiven des Konzerns beglückwünscht. Die erste Hürde hatte sie also erfolgreich genommen und die Versammlung auf ihre Seite gebracht, ohne wirklich etwas preiszugeben. Doch Noahs Fragen beunruhigten sie noch immer. Er war der Einzige, der versucht hatte, ihre Rede zu analysieren und Näheres herauszufinden. Mr. Datzyuk hatte bestätigt, dass es sich um seinen Finanzberater handelte, und sie hatte ihm zu diesem tüchtigen Mann gratuliert.
Sie besprach ihre Befürchtungen mit dem Direktor der Strategieabteilung. Der gab sich zuversichtlich, dass alles wie geplant laufen würde. Das hätte sie eigentlich beruhigen sollen, doch sie hatte diesen Mann, der seit Jahren ihr engster Mitarbeiter und Vertrauter war, hintergangen. Ganz zu schweigen von den kleinen Aktionären, die nichts von den Opfern ahnten, die gebracht werden mussten, damit sie ihre Rendite bekamen. Doch der Verwaltungsrat hatte ihr keine andere Wahl gelassen. Und nun konnte sie nicht mehr zurück. Sie versuchte sich einzureden, dass es um eine gute Sache ging, doch dieses Argument schien ihr plötzlich wenig überzeugend.
Sie kontrollierte den Planungsprozess. Ihr Strategieberater hatte letzte Woche alle Abteilungsleiter zu sich bestellt, um festzustellen, inwieweit die angestrebten Ziele erreicht waren. Alles war sorgfältig vorbereitet, nur ein Punkt in der Marketingstrategie blieb offen: der Domainname. Jane Kramer hatte die Sache aus der Ferne verfolgt, und man hatte ihr
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