Blinder Einsatz
Marketingstrategie, wie etwa die Partnerschaft mit der Pokerweltmeisterschaft – diese Information habe ich Ihrer Website entnommen – ausreicht, um den Absatz noch anzukurbeln? Wer leitet dieses Projekt, Kramer Investment oder Powerfood?«
»Wir vertrauen unserer Marketingabteilung. Das Projekt interessiert sowohl Powerfood als auch Kramer Investment. Wie gesagt, wir setzen auf Synergie. Und die Partnerschaft, auf die Sie gerade anspielen, ist nur eine von vielen Maßnahmen, die wir umzusetzen gedenken. Das Thema scheint Sie offensichtlich zu interessieren, und Sie kennen sich anscheinend gut aus. Was machen Sie beruflich?«, fragte Jane Kramer erstaunt, denn seine Fragen waren viel profunder als die der Wirtschaftjournalisten.
Noah war nicht direkt zu dieser außerordentlichen Versammlung eingeladen worden. Und selbst wenn er tatsächlich seinen Klienten vertrat, konnte es eventuell zu Missverständnissen führen, wenn er seine Tätigkeit als Finanzanalyst offenbarte.
»Ich kümmere mich um die Geschäfte von Mr. Datzyuk. Sagen wir, in finanzieller Hinsicht bin ich ein wenig sein Mädchen für alles.«
»Verstehe.«
»Ich versuche ihn so gut wie möglich bei seinen Investitionen zu beraten.«
»Und ist seine Beteiligung bei Kramer Investment Ihrer Meinung nach positiv zu bewerten?«
»Ja, es ist ein finanzstarker, innovativer Konzern. Für Investoren sehr interessant. Aber, verzeihen Sie meine Direktheit, glauben Sie nicht, dass Sie mit der neuen Richtung ein wenig den Grundgedanken von Kramer Investment verraten?«
»Nein, überhaupt nicht. Eine Investition in der Unterhaltungsindustrie widerspricht nicht zwingend unseren Prinzipien. Ganz im Gegenteil, sie kann eher zu ihrer Festigung beitragen.«
Noah hatte den Eindruck, als habe sie ihr Sprüchlein auswendig gelernt. Er hakte nach.
»Die Unterhaltungsindustrie war nie Ihr Kerngeschäft. Wie wollen Sie es mit der Konkurrenz aufnehmen, die bereits auf dem Markt eingeführt ist?«
»Natürlich gibt es in diesem Sektor alteingesessene Firmen. Ich werde Ihnen nicht unsere gesamte Strategie enthüllen, aber wir sind überzeugt davon, etwas Neues einbringen zu können.«
Jane Kramer schien ungeduldig zu werden. Sie blickte sich ständig um, so als suche sie nach einem Vorwand, sich verabschieden zu können.
»Im Zusammenhang mit der Unterhaltungsindustrie haben Sie verschiedene Beispiele angeführt. Dabei haben Sie den Internetbereich ausgespart. Ist das ein wichtiger Bereich für Sie, dieses neue Unterhaltungsmedium?«
»Das ist eine Überlegung wie jede andere. Tut mir leid, aber ich muss jetzt gehen.«
Jane Kramer schüttelte ihm kurz die Hand und wandte sich einer Gruppe von Aktionären zu, die schon auf sie wartete.
»Das Internet, Mrs. Kramer«, rief ihr Noah nach, »welche Pläne haben Sie diesbezüglich?«
Er versuchte ihr zu folgen, wurde jedoch von Security-Leuten aufgehalten.
Hier war nichts mehr zu holen. Auf alle Fälle schien Jane Kramer bei der Neupositionierung des Konzerns nicht wirklich die Zügel in der Hand zu halten. Noah musste auf dem schnellsten Wege nach London zurück. Vergeblich versuchte er vorher Philippe zu erreichen. Er hatte seine letzte E-Mail gelesen, und ein Satz machte ihn stutzig. »Falls Ihnen das überhöht erscheint, so geben Sie doch mal www.docfountain.com in Ihren Browser ein.« Als er mit dem Taxi zum Flughafen fuhr, tippte er den Link in sein iPhone. Er lächelte, als sich die Seite des größten Konkurrenten von Doc Fountain öffnete. Philippe hatte also offensichtlich beschlossen, zu drastischen Mitteln zu greifen. Jetzt musste die Firmenleitung des Kramer-Konzerns reagieren, wenn sie verhindern wollte, dass ihre Marketingstrategie unvorhergesehene und unangenehme Folgen hatte. Ehe er ins Flugzeug stieg, rief Noah Mr. Datzyuk an und bat ihn, gegebenenfalls zu bestätigen, dass er sein Finanzberater sei, und vor allem seine Arbeit als Analyst zu verschweigen. Sein Kunde stellte keine weiteren Fragen, nachdem Noah ihm versichert hatte, es sei alles in Ordnung, er würde eine Menge Geld verdienen.
Boston, einige Stunden später
»Ich will wissen, wer dieser Mann ist. Rufen Sie auf der Stelle Mr. Datzyuk an!«
Das Gespräch mit Noah hatte Jane Kramer den ganzen Tag über beschäftigt. Er hatte mit seinen Fragen genau ins Schwarze getroffen. Die neue Marschrichtung schien tatsächlich Schwachstellen zu haben. Doch einen Reinfall konnte sie sich auf keinen Fall leisten. Dazu stand viel zu viel Geld auf dem
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