Blinder Einsatz
ich mich nicht mit einer so ausweichenden Antwort zufriedengebe.«
Noah biss sich auf die Lippe. Im Eifer des Gefechts hatte er überhaupt nicht an seinen Freund gedacht und einfach den Preis für die Domain genannt, obgleich er Philippe absolutes Stillschweigen versprochen hatte.
Er hörte nur den Atem seines Gesprächspartners in der Leitung.
»Geben Sie mir Ihre Handynummer. Wir rufen in einer Stunde zurück.«
8
Die Spieler trennen sich rasch von denen,
die nicht spielen.
Tristan Bernard, Souvenirs épars d’un ancien cavalier
Brüssel, 9. Juli
Seit einer Stunde beschäftigte sich Constance nun schon mit dem Inhalt des Umschlags, den Eline Haarmet ihr hatte zukommen lassen. Sie konnte sich keinen Reim auf das Ganze machen. Langsam überfiel sie wieder ein Gefühl von Mutlosigkeit. Offensichtlich hatte sie es mit einem unlösbaren Rätsel zu tun. Und Interpol hatte sich auch nicht mit ihr in Verbindung gesetzt. Obwohl Eline Haarmet ihr gegenüber aufrichtig gewirkt hatte, fragte sich Constance inzwischen, ob diese ganze Geschichte nicht nur ein Köder war, um sie auf eine falsche Fährte zu locken.
Sie dachte über die Europakommissarin nach. Verheimlichte sie ihr bestimmte Dinge, um sie auf die Probe zu stellen? War der Inhalt des Umschlags der Schlüssel zu dieser Geschichte?
Eigentlich musste jedes einzelne Blatt, das sie darin gefunden hatte, wichtige Informationen enthalten. Constance nahm sich noch einmal eins nach dem anderen vor.
Ein Foto zeigte einen Mann von etwa sechzig Jahren, der Kleidung und dem unpersönlichen Lächeln nach ein Politiker. Im Hintergrund sah man eine breite Straße, dahinter einige Hochhäuser. In einem der Zeitungsartikel aus dem Umschlag ging es um das Monopolproblem bei Online-Spielen. Constance las ihn noch einmal.
ALLE ONLINE
Frankfurter Rundschau
In den letzten zwei Jahren hat sich bestätigt, was man anfangs nur für ein vorübergehendes Phänomen hielt: Online-Spiele boomen! Die Leute verbringen immer mehr Zeit vor dem Bildschirm, und so ist der amüsante Zeitvertreib zu einer der wichtigsten Beschäftigungen geworden. Sportwetten, Lotterien, Glücks- und Kartenspiele, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Innerhalb weniger Monate hat sich der Umsatz dieses Markts verzehnfacht. Internetseiten, die solche Spiele anbieten, schießen wie Pilze aus dem Boden. Um der meist recht strengen Gesetzgebung vieler Staaten zu entgehen sind die meisten von ihnen in Steuerparadiesen (Malta, Bahamas, Gibraltar etc.) beheimatet. Heute geht es um Milliarden von Euro, sprich um einen lukrativen Markt – auch für Betrüger!Die Europäische Union sucht nach Lösungen, um diesem neuen Phänomen zu begegnen, das sämtliche Prognosen gesprengt hat. Seit der Nominierung von Eline Haarmet zur Europakommissarin fürchten die nationalen Monopole um ihre Zukunft, denn diese Frau ist bekannt für ihre liberale Haltung in Wirtschaftsfragen. Und die europäischen Staaten möchten ungern auf den Steuersegen verzichten, den ihnen das Glücksspiel beschert.
Die amerikanische Regierung kämpft mit einer ähnlichen Problematik. Nachdem es in den letzten zwei Jahren verschiedene Versuche zur Liberalisierung der Online-Spiele gegeben hat, hat der Kongress sein Veto eingelegt. Kürzlich wurde jedoch ein internationales Gipfeltreffen der Hauptverantwortlichen einberufen, an dem auch der amerikanische Staatssekretär für Wirtschaftsfragen, Chris Dwain, teilnahm, um einen ersten Entwurf für ein europäisch-amerikanisches Abkommen zu diesem Thema zu erarbeiten. Über die Ergebnisse dieser Zusammenkunft ist bislang wenig bekannt geworden. Chris Dwain hat jedoch durchblicken lassen, dass er persönlich einer gewissen Liberalisierung der Online-Spiele zustimmen würde, sofern die Lizenzvergabe vom Staat kontrolliert wird. Das würde bedeuten, er könnte bestimmten Investoren den Zugang zu diesem Markt genehmigen.
Die Finanzexperten sind sich einig, dass bis zum Jahresende, spätestens aber Anfang des neuen Jahres die Monopole für Online-Spiele zugunsten des freien Wettbewerbs aufgehoben werden. Bleibt zu hoffen, dass die neuen Bestimmungen auch die Sicherheit der Internetnutzer hinreichend berücksichtigen. Es kam bereits zu ersten Betrugsdelikten, zumeist auf neueren Websites, deren Betreiber ihre Identität geschickt zu verschleiern verstehen.
Eline Haarmet hatte ihr nicht den ganzen Artikel geschickt. Constance notierte vorsichtshalber den Namen des amerikanischen Staatssekretärs für
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