Blinder Hass
Ergebnis.
Obwohl Roman Schmidt fest schlief, als das Auto in die Einfahrt fuhr, riss er im gleichen Moment die Augen auf. Er wohnte so weit außerhalb der Stadt, dass mehrmals im Jahr irgendjemand spät in der Nacht seine Einfahrt benutzte, um zu wenden und zurück in die Stadt zu fahren.
Die Scheinwerfer des Fahrzeugs strichen dann über das Haus und waren durch die Vorhänge im Schlafzimmer zu sehen, und davon wurde er wach. Als er noch Sheriff war, bedeutete dieser Lichtschein meist, dass irgendwer schlechte Nachrichten brachte, und deshalb wurde er auch heute noch automatisch davon wach.
Doch nun war er ein alter Mann, und es fiel ihm schwerer als früher, wieder einzuschlafen. Und weil ihm sein Schlaf wichtig war, wurde er sauer, wenn er unnötigerweise geweckt wurde.
Anders als die meisten Autos, die nachts in die Einfahrt fuhren, wendete dieses nicht. Es kam rasch immer näher, und am Knirschen der Reifen auf dem Schotter konnte er erkennen, dass es auf dem Parkplatz neben der Küchentür angehalten hatte. Er streckte die Hand aus und tippte auf seinen Wecker: halb zwei Uhr morgens.
Wer zum Teufel?
Seine Frau stöhnte, und er sagte: »Ich geh nachsehen.« Doch da sie nicht antwortete, nahm er an, dass sie gar nicht richtig aufgewacht war. Er griff in die untere Schublade seines Nachttischs, tastete herum, fand den.357er, ließ ihn locker in der Hand nach unten hängen und ging im Dunkeln in Shorts und T-Shirt zur Hintertür.
Es klopfte an der Tür. Schlechte Nachrichten. Wenn jemand leise klopft, sind es immer schlechte Nachrichten. Gott steh ihm bei. Er würde an einem Herzinfarkt sterben, wenn er aus dem Fenster schaute und draußen einen finster blickenden Deputy stehen sah. Er würde an einem verdammten Herzinfarkt sterben.
Es klopfte wieder. Er schaltete das Licht auf der Veranda an, sah das vertraute Gesicht, spürte, wie sein Herz flatterte, öffnete die Tür und fragte mit unüberhörbarer Angst in der Stimme: »Was ist passiert?«
»Das«, sagte Moonie und hob die Waffe.
»Nein«, sagte Schmidt, und Moonie schoss ihm ins Herz. Gloria Schmidt schrie: »Rome! Rome!«, griff nach der Nachttischlampe und fand sie gerade noch rechtzeitig, um die Mündung der Waffe zu sehen und das Gesicht dahinter zu erkennen.
»Sie?«, sagte sie.
Moonie schoss ihr einmal in die Stirn, und sie sank mausetot zurück aufs Bett.
Schmidt lag flach auf dem Rücken. Er war tot, aber im Reich der Geister würde er immer noch Augen haben. Moonie schloss die Küchentür, damit so wenig Lärm wie möglich nach draußen drang, beugte sich zur Seite und gab zwei Schüsse auf Schmidts halb offene Augen ab. Dann öffnete er die Küchentür wieder und lauschte.
Frösche und Grillen.
Sonst nichts. Genügend Zeit, um es richtig zu machen.
NEUN
Virgil liebte die frühen Morgenstunden im Hochsommer, wenn noch eine gewisse Kälte in der Luft lag, man aber die aufkommende Hitze bereits spüren konnte. Die perfekte Zeit zum Angeln. Die perfekte Zeit, um überhaupt irgendwas draußen zu machen.
Kurz nach halb sechs war er auf, spähte durch den Vorhang über den Parkplatz und sah das obere Ende der Sonne leuchtend orange über dem Horizont auftauchen. Blauer Himmel. Kein Wölkchen in Sicht. Ausgezeichnet.
Er setzte sich auf den Boden, machte fünfzig Sit-ups, dann fünfzig Liegestütze, zog T-Shirt, Shorts und Turnschuhe an und ging zur Tür. In Mankato stöpselte er sich manchmal einen iPod in die Ohren und lief nach altem klassischem Rock, zum Beispiel Aerosmith. Das Problem, wenn er mit Musik lief, war, dass er dabei nicht nachdenken konnte. Manchmal war das ganz okay. Heute Morgen musste er allerdings nachdenken.
Er hatte eine Menge zu tun, musste durch die Gegend fahren und Ideen in die Tat umsetzen.
Zum Beispiel musste er noch einmal Betsy Carlson in dem Pflegeheim in Sioux Falls aufsuchen. Am besten mit Laura Stryker, Joans Mutter, wenn sie bereit war mitzukommen. Dabei könnte er Laura vorsichtig ein bisschen ausquetschen, mal sehen, was sie über Judd und sein Liebesleben wusste. Interessant war auch, ob sie über den Selbstmord ihres Mannes reden würde und darüber, was das bei Jim und Joan ausgelöst haben könnte.
Ein bisschen schäbig kam er sich bei diesen Überlegungen schon vor, aber er war schließlich Cop, also war es nicht ganz so schlimm.
Er lief durch die Innenstadt und kreuz und quer durch Wohngebiete, bis seine Uhr ihm sagte, dass es 6:15 war und er fünf Meilen gelaufen war, mehr oder
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