Blinder Hass
Sache der Ehre, so einfach war das. Sie waren wichtig und unvermeidlich und bereits viel zu lange aufgeschoben worden. Wenn es nicht bald geschah, würden die Opfer vielleicht für immer entkommen.
Moonie blies noch etwas Rauch in den Himmel.
Wenn die Morde um der Ehre willen erst mal erledigt waren und sich die Erkenntnis eingestellt hatte, dass die Aufgabe beendet war und man sich an den Erinnerungen erfreuen konnte, wäre Zeit genug, um auszuruhen. Schlafen war nämlich immer ein Problem gewesen - vier Stunden an einem Stück waren schon viel -, und gut dreißig Jahre Schlafmangel hatten in Moonie eine starke Reizbarkeit entstehen lassen.
Oder vielleicht auch Wahnsinn.
Was auch immer.
Es war ganz egal.
Zwei weitere Morde waren aus geschäftlichen Gründen notwendig. Ein dritter, der an Virgil Flowers, könnte notwendig werden, wenn Flowers weiter für so viel Unruhe in der Stadt sorgte. Die Leute machten ihre Läden früher zu, schlossen ihre Türen ab und sprachen nur noch bei vorgelegter Kette.
Vielleicht … vielleicht, dachte Moonie, schadete das Dope ja mehr, als es nützte. Die Vorgehensweise bei den Morden war zwar gut gewesen, aber die Gesamtstrategie erschien nun falsch. Judd hätte der Letzte sein sollen. Hätte der Letzte sein können. Moonie hatte ihn nur getötet, weil der Drang dazu nicht mehr zu unterdrücken gewesen war. Und weil der alte Mann nicht mehr ganz klar im Kopf gewesen war. Hätte doch keinen Sinn gehabt, ihn zu töten, wenn er nicht wusste, warum er starb.
Wiederholt zu morden war keine leichte Aufgabe.
Also, was war nun mit Flowers?
Flowers, das hätte rein sachliche Gründe. Er war zu kompetent, zu gefährlich.
Flowers schien außerdem etwas Karmisches an sich zu haben. Er war mitten in einem Gewitter nach Bluestem gekommen und praktisch direkt über den Mord an Judd gestolpert. Dann hatte er, statt Druck zu machen, herumzuschnüffeln, Fragen zu stellen und zu ermitteln, irgendwie in der ganzen Stadt Scheiß herumerzählt, um es ganz klar zu sagen. Hatte mit allen möglichen Leuten geredet, Lügen aufgetischt und Geschichten erfunden, hatte Angestellte im Holiday Inn ins Vertrauen gezogen.
Und indem er in der ganzen Stadt Scheiß herumerzählte, hatte er für Unruhe gesorgt. Die breitete sich allmählich im gesamten Bezirk aus. Statt abzuwarten, dass irgendetwas Offizielles geschah, dass Polizeiwagen und Spurensicherungsteams auftauchten, fingen die Leute an, Fragen zu stellen, und einige von ihnen blickten zurück in die Vergangenheit.
Dazu war es aber noch zu früh.
Deshalb musste Moonie nun nach der Arbeit hier draußen auf einer Decke im Garten mit Hilfe von etwas aufmunterndem Dope und der Milchstraße die Frage entscheiden, ob Flowers direkt getötet werden sollte und anschließend Jerry Johnstone und Roman Schmidt oder ob erst mal Johnstone und Schmidt umgebracht werden sollten und Flowers nur, wenn es absolut notwendig wurde.
Ein Anschlag auf Flowers würde schwierig sein. Man konnte praktisch nie wissen, wo er zu einer bestimmten Zeit sein würde, deshalb würde man den Mordschauplatz nicht vorher erkunden können. Man konnte ihm auch nicht einfach folgen, denn selbst wenn er das nicht bemerkte, würde es jemand anders tun.
Ihn zu sich einladen und es dann tun, konnte man auch nicht. Irgendwer würde von der Einladung erfahren. Das war das Problem in einer so kleinen Stadt wie Bluestem, überall waren Augen und Ohren. Man konnte nirgends hingehen, ohne dass irgendwelche Leute es bemerkten und, was noch schlimmer war, dass sie wussten, wer man war, und sich fragten, warum man dort war. Wenn man nur die Straße entlangging, konnte man schon sehen, wie sich die Gardinen bewegten und einen Blicke aus den Häusern heraus verfolgten. Selbst die Hunde hinter den Zäunen beobachteten genau, wer vorbeiging.
Es gab da diesen alten Witz über kleine Städte: Wenn man in einer echten Kleinstadt wohnte, brauchte man beim Abbiegen nicht mal den Blinker am Auto zu benutzen, weil ohnehin jeder wusste, wo man hinfuhr.
Flowers.
Flowers könnte man im Motel umlegen. Beobachten, wann das Licht in seinem Zimmer ausging, dann ein paar Steinchen gegen die Glasschiebetür werfen, und wenn er raussah, ihn mit einer Schrotflinte abknallen.
Das Problem wäre allerdings, wie wegkommen? Okay, man könnte über den Parkplatz hinter der Dairy Queen laufen, die so spät am Abend bereits geschlossen sein würde, dann die Gasse hinter den Geschäften im Zentrum entlang und im
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