Blinder Hass
breit machte. Neben zwei TV-Kameramännern, die auf einem Anwaltstisch, den man vor die Richterbank geschoben hatte, Scheinwerfer hatten aufstellen lassen, gab es zwei Reporterinnen, außerdem vier müde aussehende Männer und zwei müde aussehende Frauen, die wahrscheinlich von den Zeitungen kamen, zwei Männer mit Kassettenrekordern, die vom Radio sein konnten, und etwa hundert Leute aus der Stadt, die sich nicht von der Stelle rührten.
Virgil steckte den Kopf in den Saal, sah, was los war, dann ging er, bevor ihn jemand bemerkte, den Flur hinunter zu Strykers Büro. In dem Moment klingelte sein Handy. Er zog es aus der Tasche - Stryker. Er schoss an der Sekretärin vorbei, steckte den Kopf in Strykers Büro. »Yo.«
Stryker legte das Telefon auf. »Wo zum Teufel warst du?«
»Hier und dort«, erwiderte Virgil. »Weißt du, was du sagen willst?«
»So ungefähr.« Stryker zuckte mit den Schultern. »Die Wahrheit, nehm ich an.«
»Mein Gott, Jim, das kannst du doch nicht machen.« Virgil schaute sich um, sah, dass die Sekretärin sie beobachtete, und machte die Bürotür zu. »Das wird uns in unserer Arbeit blockieren.«
»Wenn du eine Stunde früher hier gewesen wärst, hätten wir uns vielleicht was zurechtbasteln können.«
»Hier wird nichts zurechtgebastelt«, sagte Virgil. »Du gehst da rein und beschreibst denen die drei Tatorte - Gleason, Judd und Schmidt - mit allen blutrünstigen Details. Alle hier in der Gegend wissen bereits darüber Bescheid, also verrätst du nichts Neues. Sprich über die Schüsse in die Augen. Sprich davon, dass Judd bis auf die Fußknöchel verbrannt ist. Den Fernsehleuten wird das gefallen. Erzähl ihnen, dass wir aus bestimmten Informationen schließen können, dass der Mörder von hier sein muss und dass wir eine Menge Anhaltspunkte haben, über die wir zwar nicht reden können, aber dass wir ihnen, wenn sie in acht bis zehn Tagen wiederkommen, bestimmt viel mehr sagen können. Dass wir gut vorankommen.«
»Tun wir das?«, fragte Stryker.
»Irgendwie schon.«
»Virgil …«
»Du sagst denen ja nicht, was wir haben«, betonte Virgil. »Das ist vertraulich. Wir kommen voran, aber wir können nicht darüber reden.«
»Wenn ich das mache und in zehn Tagen immer noch nichts zu berichten hab, dann bin ich echt am Arsch.«
»Wenn du da reingehst und sagst, dass wir rein gar nichts haben, bist du eh am Arsch«, sagte Virgil. »Aber wenn du da reingehst und sagst, dass die Höllenhunde dem Mörder auf den Fersen sind, dann tut er vielleicht irgendwas, wodurch wir ihn erwischen.«
»Heilige Muttergottes.«
»Die ist nicht hier, Jim. Nur wir beide.«
Stryker strich seine Haare und seine Kleidung glatt, und als sie gerade das Zimmer verlassen wollten, fragte er: »Wie sehr soll ich ins Detail gehen?«
»Mehr, als du eigentlich für richtig hältst. Das mit den Augen und die Tatsache, dass es sich um eine Art Ritual zu handeln scheint. Der Ast, von dem Schmidt gestützt wurde, und dass sein Gesicht nach Osten zeigte. Dass Gleason ebenfalls mit dem Gesicht nach Osten hingestellt worden war. Dass von Judd nichts übrig geblieben ist außer ein paar Hand- und Fußknöcheln und der Draht aus seinem Herzen. Das fressen sie dir aus der Hand …«
»Ich hab bald selbst’ne Herzoperation nötig«, sagte Stryker. »Ganz ehrlich, mein Herz macht das nicht mehr lange mit.«
Als sie die Eingangshalle durchquerten, flüsterte Virgil ihm im letzten Augenblick noch zu: »Du bist der grimmige Sheriff eines ländlichen Bezirks. Du bist ein aufrechter, ehrlicher, wortkarger und gottesfürchtiger Cowboy. Du willst eigentlich nicht darüber reden, aber du meinst, dass du es trotzdem tun solltest, weil wir in einer Demokratie leben. Du bist grimmig. Du lächelst nicht, weil die Toten Freunde von dir waren. Dieser Kerl bringt deine Leute um.«
»Grimmig«, sagte Stryker.
Und das war er. Er spulte die Sache ab, fast ohne die Kinnlade zu bewegen.
Virgil selbst sagte ganze dreiunddreißig Worte. »Wir arbeiten hart daran, und wie der Sheriff schon sagte, kommen wir gut voran. Doch das SKA vertritt den Standpunkt, dass der Sheriff die Ermittlungen leitet, deshalb überlassen wir ihm auch das Reden.«
Eine Frau von einem Fernsehsender in Sioux Falls war offenkundig sehr angetan von Stryker, gab sich vertraulich und versuchte, ihn ein wenig aus der Reserve zu locken. »Was werden Sie tun, wenn Sie den Kerl schnappen?«, fragte sie.
»Ich hoffe, dass der Hurensohn sich wehrt«, sagte
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