Blinder Hunger: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
an. »Lass das Wasser ein.«
»Ich möchte lieber duschen und dann schnell ins Bett.«
Sie wechselten schon wieder einen Blick, und nach einem Nicken von Micah ging Nathaniel ins Bad. Ich sah Micah an. Der einzige Mann in meinem Leben, bei dem ich nicht den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm in die Augen zu sehen. »Was ist passiert? Was gibt es Neues?«
Er lächelte, aber nicht heiter. Es war wieder das Lächeln von früher, das traurig, selbstironisch und spöttisch war und noch etwas ausdrückte, für das Traurigkeit ein zu mildes Wort war. Ich hatte ihm dieses Lächeln schon fast abgewöhnt.
Ich nahm seine Arme und schüttelte ihn. »Was ist passiert?«
»Nichts, ich schwöre. Alles ist gut, aber Jean-Claude hat uns gewarnt, wir sollen dich nicht duschen lassen. Er sagte, ich zitiere, nicht zwischen Glaswände lassen.«
Ich runzelte die Stirn. »Was soll das heißen? Warum sollte es Jean-Claude interessieren, ob ich dusche oder bade?«
Das Telefon klingelte. Ich zuckte zusammen, als hätte mich etwas gestochen. »Wenn das ein neuer Mordfall ist, das schaffe ich nicht.« Noch während ich es aussprach, war mir klar, dass ich doch hinfahren würde. Wenn sie mich brauchten, würde ich hinfahren. Aber es stimmte: Ich war mir nicht sicher, ob ich dazu noch imstande war. Und das erschreckte mich. Schließlich war das meine Arbeit. Ich musste das schaffen.
Micah ging ans Telefon, während ich im dunklen Wohnzimmer stehen blieb und betete, es möge nicht die Polizei sein. Er rief: »Es ist Jean-Claude.«
»Wieso ruft er an?«
»Komm her, dann erfährst du es«, sagte Micah.
Ich ging in die Küche. Nur die Lampe über der Spüle brannte, aber ich blinzelte, als wäre es ein Scheinwerfer. Ich nahm Micah den Hörer aus der Hand, während er versuchte, mich nicht besorgt anzusehen. »Was gibt’s?«, fragte ich.
»Ma petite, wie geht es dir?«
Gewöhnlich war seine Stimme für mich ein Genuss, doch heute Nacht hatte sie keinerlei Wirkung auf mich. »Beschissen. Wieso?«
»Wie lange ist es her, seit du gespeist hast?«
Ich lehnte die Stirn an die Wand und schloss die Augen. »Ich habe tagsüber Erdnüsse und Chips gegessen. Warum?« Nathaniel hatte mir Knabbereien ins Handschuhfach gelegt.
»Ich meine nichts zum Kauen, ma petite.«
Mir fuhr der Schreck in die Glieder. »Himmel, Damian.«
»Es geht ihm gut. Ich habe dafür gesorgt.«
»Wie kann es ihm gut gehen? Letztes Mal fing er an zu sterben, nachdem ich die sechs Stunden um ein paar überschritten hatte. Diesmal sind es fast vierundzwanzig. Oh Gott, ich kann es nicht glauben, wie gedankenlos.«
»Und wann in den letzten vierundzwanzig Stunden hättest du die Ardeur befriedigen können? Und an wem?«
Die Frage stoppte meine Selbstbezichtigungen und brachte mich zum Nachdenken. Ich schätze, es gibt Schlimmeres, als während einer polizeilichen Ermittlung die Ardeur zu vergessen. Wie zum Beispiel die Ardeur nicht zu vergessen, während ich in einem Lieferwagen der Mobile Reserve oder bei Zerbrowski im Wagen sitze. Plötzlich war mir kalt, und das hatte nichts mit meinen Gewissensbissen von eben zu tun.
»Ma petite, ich kann deinen lieblichen Atem hören, aber ich muss deine liebliche Stimme hören.«
»Jesus, Maria und Josef, wie hast du verhindert, dass sie mich überfällt?«
»Indem ich dich mit aller Macht abgeschirmt habe und den anderen geholfen habe, dasselbe zu tun.«
»Darum sprichst du mit mir übers Telefon, anstatt in meinen Gedanken.«
»Oui.«
»Wie hast du verhindert, dass ich so lange von Damian und Nathaniel zehre?«
»Ich habe die Ardeur im Club gesättigt, wie wir es besprochen hatten, und habe mit Damian geteilt. Erst wenn er ausgezehrt ist, beginnt dein Triumvirat von Nathaniel zu zehren.«
»Du hast für diese lange Zeitspanne für eine Sättigung gesorgt?«
Er seufzte und klang erschöpft, weil er mich noch immer stark abschirmte. »Non, non, ma petite, wir haben es alle sechs Stunden getan.«
»Wer wir?«
»Richard, Damian und ich. Nathaniel hatte dir zuletzt zur Verfügung gestanden, und ich war mir nicht hundertprozentig sicher, dass ich die Sättigung im Griff behalten würde, darum habe ich ihn nicht genommen.«
»Richard hat die Ardeur von der anderen Seite zu schmecken bekommen?«
»So ist es.«
»Was hält er davon?«
»Er zollt uns großen Respekt, weil wir es schaffen, nicht verrückt zu werden.«
Ich wollte fragen, wen Richard genommen hatte, aber das ging mich nichts an. Ich war nicht monogam und
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