Blinder Instinkt - Psychothriller
gedauert, und dann waren sie noch bei der Apotheke vorbeigefahren, um das Medikament zu besorgen.
Auf der Fahrt zum Büro hatte er versucht, Franziska zu erreichen, um ihr mitzuteilen, dass er jetzt im Dienst sei, doch sie war nicht an ihr Handy gegangen.
Möglicherweise befand sie sich in einem Gespräch.
Er verließ den Wagen und trabte auf den Haupteingang des Gebäudes zu. Als er die Eingangstür aufstieß, fiel ihm die mittelgroße, bullige Gestalt sofort auf, die am Empfang stand und ihm den Rücken zudrehte.
Der Boxer! Was hatte der denn hier zu suchen?
Paul näherte sich ihm. Der ältere Beamte hinter dem Empfangstresen sprach gerade.
»… oft genug versucht, sie ist nicht da. Hinterlassen Sie bitte eine Nachricht.«
»Kann ich helfen?«, fragte Paul.
Max Ungemach drehte sich abrupt um. Er hatte ihn gestern in Kühls Wohnung nur kurz gesehen, schien sich aber zu erinnern.
»Sie sind doch ihr Partner, oder?«, fragte er.
»Wenn Sie Frau Gottlob meinen, stimmt das. Womit kann ich Ihnen helfen?«
»Ich muss Fran… Frau Gottlob sprechen.«
Paul registrierte sehr wohl, dass der Boxer Franziska mit ihrem Vornamen ansprechen wollte. Aber das hatte nicht viel zu bedeuten. Sie war sehr schnell damit zur Hand, was, wie sie einmal zugegeben hatte, größtenteils an ihrem Nachnamen lag, den sie albern fand. Nicht einmal ihr Vater schrieb unter seinem richtigen Namen.
»Da sind wir schon zu zweit«, sagte Paul. »Vielleicht sagen Sie einfach mir, worum es geht, dann gebe ich es weiter.«
Der Boxer fixierte ihn mit einem Blick, der besser in den Ring gepasst hätte. Betrachtete Ungemach ihn etwa als Gegner?
»Ich würde es lieber Frau Gottlob persönlich sagen.«
Das klang sehr bestimmt. Paul sah den Boxer nachdenklich an. Was wollte er von Franziska? Er war gestern verhaftet worden und hatte eine Anzeige bekommen. Freiwillig und ohne triftigen Grund war er bestimmt nicht hier. Oder hatte Franziska ihm gestern, als sie zusammen weggefahren waren, irgendwas versprochen? Vielleicht, ihn über die Ermittlungen auf dem Laufenden zu halten, damit er nicht erneut ausrastete?
»Hören Sie«, fuhr er Ungemach an, denn gerade heute hatte er kein Interesse daran, auch noch auf dessen Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. »Entweder Sie sagen mir, was Sie wollen, oder Sie kommen morgen wieder. Wir haben hier eine ganze Menge zu tun.«
Daraufhin verengten sich die Augen des Boxers, wurden zu Schießscharten. Zusätzlich schob er seinen bulligen Kopf
ein gutes Stück nach vorn. Auf Paul wirkte das wie die Vorbereitung eines Angriffs; er machte instinktiv einen Schritt zurück und suchte den Blickkontakt zu dem Beamten.
Doch Ungemach hielt sich zurück. Ohne sein Gesicht oder seinen Körper zu entspannen, sagte er mit dunkler Stimme: »Also seid ihr Bullen doch alle gleich.«
Paul klappte die Kinnlade herunter. Er stand im Foyer des Polizei-Dienstgebäudes und musste sich von einem gestern verhafteten Profiboxer beleidigen lassen! Zum Teufel noch mal, was war das nur für ein Tag. Jetzt hatte er endgültig die Schnauze voll! Er hob die Hand und drohte dem Boxer mit ausgestrecktem Zeigefinger.
»Sie haben sich gestern wohl noch nicht genug Ärger eingehandelt, oder was? Ich rate Ihnen jetzt dringend, sich hier zu verpissen, bevor ich ungemütlich werde und Sie verhaften lasse. Und diesmal bleiben Sie eine Nacht lang unser Gast, das verspreche ich Ihnen.«
Dem uniformierten Beamten wurde die Situation zu heikel. Wahrscheinlich spürte er, dass sie jeden Moment kippen konnte. Er trat aus Max’ Schatten und stellte sich neben ihn.
»Soll ich Sie hinausbegleiten?«, fragte er freundlich, wenn auch ohne nennenswerte Reaktion von Seiten des Boxers.
Wer allerdings reagierte, war Paul. Die Worte des Kollegen machten ihm deutlich, dass er sich falsch verhielt. Statt auf diesen ja bekanntlich aggressiven Mann deeskalierend einzuwirken, übertrug er seinen Stress auf ihn. Das war nicht professionell, und der uniformierte Kollege wunderte sich fraglos über sein Verhalten. Aber die beiden hatten sich am frühen Morgen ja auch nicht von einem kleinen schreienden Kind auf die Hose kotzen lassen müssen.
»Ja, bringen Sie ihn zur Tür. Wir sind hier fertig, denke ich.
Und Ihre Zeugenaussage wegen der Beleidigung nehme ich später noch auf.«
Dann wandte er sich ab, lief zu den Fahrstühlen hinüber und fuhr hinauf. Allein im Büro beruhigte er sich etwas. Er schaltete den PC ein, wartete darauf, dass dieser hochfuhr, und
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