Blinder Instinkt - Psychothriller
in seinen Traktor, startete den Motor, hob noch einmal die Hand zum Gruß und preschte dann los. Max sah ihm nach. Jürgen drehte sich noch einmal um, so als könne er immer noch nicht glauben, wen er da gerade getroffen hatte. Das konnte Max gut verstehen; ihm ging es ebenso. Eine Staubwolke wallte noch lange hinter dem Traktor auf.
Max selbst stieg nun in den BMW, startete den Motor und stieß rückwärts auf die Straße. Bevor er wegfuhr, warf er noch einen Blick auf das alte Gasthaus. In seiner verblichenen Einsamkeit, seiner abweisenden Verschlossenheit, vermittelte es ihm ein ungutes Gefühl.
Während er langsam anfuhr, nahm er sein Handy aus
dem Mittelfach. Ein Anruf in Abwesenheit von Franziska! Sie musste in der Zeit angerufen haben, als er bei seinem Vater gewesen war. Das Handy hatte er im Wagen gelassen. Max rief sofort zurück, doch sie nahm nicht ab.
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Franziska kam zu sich, doch es dauerte noch eine Weile, ehe sie begriff, wo sie war.
Der Laden … Der dunkle Laden … Der unheimliche, verblichene Eduard Sauter, der ihr sein Gesicht nicht zeigen wollte …
Sie wollte den rechten Arm ausstrecken. Sofort schoss ein scharf stechender, hundsgemeiner Schmerz vom Oberarm in den Rest ihres Körper, ließ ihr Herz im Eiltempo jagen und Schweiß von ihrer Stirn rinnen. Während Franziska mit zusammengebissenen Zähnen darauf wartete, dass der Schmerz abebbte, formierten sich die Puzzleteile in ihrem Kopf zu einem großen Ganzen.
Sie war auf diesen tumb wirkenden Sauter hereingefallen. Hatte sich geradewegs in eine Falle locken lassen. In was für eine, wusste sie noch nicht genau, nur, dass sie auf diesen Teppich getreten und mit ihm zusammen in die Tiefe gefallen war. Eine Kellerluke, anders konnte Franziska es sich nicht erklären. Eine dämliche Kellerluke, die Sauter für sie präpariert hatte. Und sie war dumm genug gewesen, in seine Falle zu laufen.
Warum lebte sie noch?
Warum hatte er es nicht zu Ende gebracht, während sie ohne Bewusstsein gewesen war?
Als der Schmerz ihren Körper nicht mehr lähmte, hob Franziska vorsichtig den linken Arm an. Er funktionierte einwandfrei. Sie langte zum rechten hinüber und betastete ihn vorsichtig. Der Oberarm war stark angeschwollen, dort konzentrierte sich der Schmerz. Wahrscheinlich ein Bruch.
Wie lange war sie bewusstlos gewesen?
Franziska wusste es nicht und konnte es auch nicht einschätzen, aber dafür, und auch um Hilfe zu rufen, gab es ja ein Handy.
Mit der linken Hand tastete sie herum und stellte dabei auch ihre Position fest. Sie lag rücklings auf dem Teppich, der die Falltür verdeckt hatte, ein Bein noch auf den Stufen der Treppe. Ihre Beine waren in Ordnung, sie konnte sie problemlos bewegen. Sie stemmte sich gegen die unterste Stufe ab und schob sich nach hinten, in der Hoffnung, sich dort gegen eine Wand lehnen zu können. Aber da war keine. Franziska biss die Zähne zusammen und ignorierte die Tränen, die die Schmerzen ihr in die Augen trieben. Heulen konnte sie später noch, zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort.
Den verletzten Arm angewinkelt in den Schoß gelegt, den Oberkörper nach vorn gebeugt, hockte sie da und tastete nach ihrer Handtasche, fand sie aber nicht. Hatte Sauter sie etwa mitgenommen, mit allem, was darin war?
Paul würde sie vermissen, früher oder später, und Gott sei Dank hatte sie ihm gesagt, wohin sie unterwegs war! Trotzdem durfte sie es nicht darauf ankommen lassen, dass er sie hier unten auch fand. Die Luke war zu, sicher von oben getarnt, so wie sie es vorher auch gewesen war, und vielleicht würde Paul schon vor der verschlossenen Ladentür kehrtmachen. Sie musste an ihr Handy kommen!
Such die Tasche! Vorher darfst du dich nicht ausruhen!
Es tat weh, es war mühsam und schweißtreibend, auf dem Hosenboden durch den Raum zu rutschen und mit nur einer Hand den Boden abzutasten.
Plötzlich hatte Franziska das Gefühl, etwas husche an ihren Fingern vorbei. Etwas enorm schnelles, kleines, mit vielen Beinen. Eine Spinne wahrscheinlich. In so einem Kellerloch gab es doch immer Spinnen. Aber diese hier, die sie nicht mal gesehen, sondern nur gespürt hatte, schien so … energisch zu sein.
Franziska robbte von der Stelle weg, tastete woanders und fand dort tatsächlich ihre Handtasche. Das klobige, olivfarbene Ding, das mehr wie ein Outdoorbag wirkte, in dem aber alles Platz fand, was sie brauchte. Jetzt brauchte sie ihr Handy, aber genau das fand sie nicht. Ganz gleich, wie lange sie zwischen den
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