Blinder Instinkt - Psychothriller
enden würde. Alles Zappeln und Rudern mit den Armen und Beinen nützte nichts, je mehr sie sich wehrte, desto schneller sank sie, desto zäher wurde das Wasser. Es war gnadenlos in seiner Endgültigkeit, es war eiskalt und lähmend, aber wenigstens fühlte sie keinen Schmerz - außer dem der Erkenntnis über ihren bevorstehenden Tod.
Doch sie wollte nicht sterben! Auf gar keinen Fall! Es gab so viel zu tun, so viel zu erleben und zu entdecken. Da oben warteten Menschen, die sich auf sie verließen und gerade jetzt ihre Hilfe brauchten. Ihr Vater! Max! Gerade für Max musste sie am Leben bleiben, er brauchte sie dringend, würde ohne sie niemals Erlösung von seinem Schicksal finden, und außerdem … außerdem hatte sie sich gestern Abend verliebt. Das durfte doch nicht schon wieder vorbei sein!
Nein, nein, nein!
Wieder strampelte sie und schlug um sich, trat in das Wasser, spuckte es aus, versuchte sich davon zu befreien. Es war ein Kampf auf Leben und Tod, und er wurde mit harten Bandagen ausgetragen. Denn das Wasser würde ein Opfer, das sich einmal in seinen Fängen befand, nicht einfach so wieder hergeben. Aber Franziska war stark; sie war schon immer ein wirklich starkes Mädchen gewesen, hatte schon früher in der Schule mit den Jungs mithalten können, egal ob beim Kugelstoßen, Weitsprung oder den Klimmzügen. Sie konnte
kämpfen wie eine Löwin, das hatte sie von ihrem Vater. Der trug auch gerade den schwersten Kampf seines Lebens aus. Auch seinetwegen durfte sie hier und heute nicht sterben.
Also reiß dich gefälligst zusammen! Krieg deinen Arsch hoch! Na los! So schwer ist das nicht, das haben schon ganz andere vor dir geschafft. Du musst nur fest an dich glauben, an das Leben, an alles, was darin noch auf dich wartet. An Max. Verflucht, es hat doch gerade erst angefangen!
Franziska begann zu würgen und zu husten, spie das ölige Wasser aus, presste es aus ihrem Körper, ihrer Lunge, ihrem Mund. Und plötzlich gelangte wieder Atemluft hinein. Nicht unbedingt frisch, aber lebenserhaltend.
Es dauerte noch ein paar Sekunden, ehe sie begriff, dass es kein Wasser gab. Sie trieb nicht im See. Sie befand sich noch in dem Keller unter dem Zoogeschäft des Eduard Sauter.
Bleib bei Bewusstsein!
Du musst bei Bewusstsein bleiben, sonst ist alles verloren!
Immer wieder geriet Franziska nah an eine Grenze, hinter der absolute Dunkelheit lauerte. Diese Grenze jagte ihr eine tiefe Angst ein, spürte sie doch, dass es von dort keine Rückkehr geben würde. Die Dunkelheit würde die Schmerzen nehmen, ja, und deshalb war sie für einen Teil ihres Bewusstseins auch so verlockend, deshalb sehnte sich ein Teil von ihr immer wieder dorthin, aber Franziska wollte nicht aufgeben, noch nicht. Selbst wenn die Symptome nach dem Spinnenbiss sich ins schier Unerträgliche steigerten.
Kurz nach dem Biss hatte sie heftige Übelkeit befallen, und sie erbrach ihr Frühstück auf den Kellerboden. Danach hatte sie sich noch fünfmal erbrochen, ohne dass mehr als heiße Flüssigkeit herausgekommen war, aber ihr Magen wollte sich
einfach nicht beruhigen. Er krampfte und schmerzte so stark, dass sie ihren gebrochenen Arm darüber vergaß.
Diese zunächst auf die Mitte ihres Körpers konzentrierten Schmerzen waren binnen weniger Minuten bis in die Arme und Beine gewandert. Noch niemals hatte sie einen so allumfassenden Schmerz erlebt. Keine bestimmte Stelle, auf die sie sich konzentrieren, die sie vielleicht sogar anfassen konnte, nein, ihr kompletter Körper war ein Gefäß voller Schmerz. Dazu schwitzte sie stark, Tränen und Speichel flossen unkontrolliert. Und je länger sie auf der Treppe lag, desto schneller raste ihr Herz. Die Frequenz wurde immer bedrohlicher, und in der Folge ihre Atemnot immer schlimmer.
All ihre Kraft musste sie aufbringen, um den gesunden linken Arm, dessen Hand sich um die Bissstelle herum wie ein stramm gefüllter Ballon anfühlte, nach der Stiftlampe auszustrecken, die sie vorhin abgelegt hatte. Doch sie stieß sie nur fort, so dass sie auf der Innenseite der Treppe von der Stufe auf den Kellerboden fiel. Dort blieb sie so liegen, dass der schmale Lichtstrahl unter der Treppe heraus knapp über dem Boden bis ans andere Ende des Raumes leuchtete.
Spinnen!
Kleine schwarze Spinnen, mindestens ein, vielleicht sogar zwei Dutzend, genauer ließ es sich nicht schätzen, da sie wie wild über den Betonboden wuselten. Sie krabbelten ungeheuer flink hin und her, scheinbar ziellos, und immer, wenn zwei sich
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