Blinder Instinkt - Psychothriller
mit der Faust ins Gesicht. Aufheulend zuckte Thomas zurück, presste sich die Hände vors Gesicht und blieb liegen.
Max ahnte, dass ihm jetzt nur wenig Zeit blieb. Schnell lief er zu Sina hinüber. Sie stand zitternd, weinend und mit vor der Brust gekreuzten Fäusten da, die nutzlosen Augen weit aufgerissen, die Lippen bebend.
»Ich bin’s«, sagte Max und packte ihre Hand. »Komm schnell!«
Sie folgte ihm sofort.
Aber ein Hindernis gab es noch.
Philipp, der Mitläufer. Der war total perplex und konnte nicht fassen, dass seine beiden Beschützer geschlagen am Boden hockten. Es war offensichtlich, dass Philipp Max nicht angreifen würde. Er hob sogar abwehrend beide Hände mit den Handflächen nach außen, aber das war Max egal. Aus dem Schwung heraus drosch er Philipp seine Faust in den Bauch. Wie ein gefällter Baum klappte der dünne Junge zusammen.
Max zog Sina an Philipp vorbei, dann liefen sie.
9
Die Luft war feucht, dunstig und warm, Gerüche stiegen als wabernde Nebel vom Boden auf, intensiv, betäubend und fremdartig. Und noch etwas anderes entstieg dem Boden. Die hohe Luftfeuchtigkeit lockte die Tiere aus ihren Höhlen. Sie streckten ihre langen, stark behaarten Beine aus, tasteten zunächst vorsichtig, fühlten und reagierten auf Erschütterungen, bevor sich die dicken Körper aus den Löchern schoben.
Theraphosa blondi, die Giganten unter den Vogelspinnen. Sie waren erwacht und auf der Jagd!
Er liebte diese Tiere abgöttisch.
Viele der Exemplare - einige gekauft, andere aus seiner eigenen Züchtung - wiesen eine Körperlänge von zwölf Zentimetern und eine Beinspannlänge von gewaltigen dreißig Zentimetern auf. Er hatte nur die größten Exemplare importiert. Durch ihre starke Behaarung wirkten diese Spinnen sogar noch größer als ohnehin schon.
Seine Blondis!
Im Laufe der Zeit hatte er den Überblick verloren, wie viele Exemplare er ausgesetzt hatte. Er zählte sie längst nicht mehr, freute sich einfach nur darüber, wenn diese Armee von perfekten Jägern aus ihren Löchern gekrabbelt kam.
Das Mädchen hatte sie längst bemerkt, hatte wahrscheinlich das Schaben der harten Beine auf der Rinde und den Blättern gehört. Jetzt lief ein großes, kastanienbraun gefärbtes Exemplar über ihre Hand. Das Mädchen quiekte, sprang erschrocken auf, schüttelte ihre Hände. Die nächste Spinne lief mit anmutigen Bewegungen über den nackten Fußrücken des Mädchens, worauf sie wild herumzutrampeln begann. Er war froh, dass sie die Spinne dabei nicht zerquetschte, das war früher schon vorgekommen und hatte ihm jedes Mal einen Stich ins Herz versetzt.
Theraphosa blondi war eine Bombadierspinne. Bei Gefahr streifte sie die Brennhaare an ihren Beinen ab und schleuderte sie mit hoher Geschwindigkeit in Richtung des Feindes. Das geschah sehr schnell, für das menschliche Auge kaum wahrnehmbar. Was er aber sah, war die Reaktion des Mädchens, die einige dieser Haare auf den Fußrücken und ans Schienbein bekam.
Er wusste, wie stark das brannte. Die Schmerzen waren ähnlich dem Stich einer Wespe, nur großflächig verteilt. Jetzt schrie das Mädchen laut und grell auf, ein hoher, in den Ohren schmerzender Ton, dann spurtete sie nach vorn, zog dabei ihre Knie hoch bis an die Brust, damit sie ihre Füße vom Boden wegbekam.
Sie kam genau auf ihn zu!
Er hockte in seinem Versteck, einer tiefen Mulde im Boden, die mit einer halbrunden Platte aus Sperrholz abgedeckt
war. Oben auf der Platte war Dornengestrüpp befestigt, so dass ein Fehltritt darauf kaum möglich war. Unter dieser Abdeckung hatte er genug Platz, um hockend oder liegend aus dem fünfzig Zentimeter breiten Spalt zu schauen. Es war die Perspektive eines Insekts, und wenn er sich in seinem Versteck befand, den Stab mit der präparierten Spitze in der rechten Hand, fühlte er sich seinen Blondis verbunden.
Das Mädchen kam weiter auf ihn zu. Sie schrie noch immer. Die Wirkung der Brennhaare dauerte an. Noch zwei Meter, noch einen, ein halber Meter …
Er machte sich bereit. Sie steuerte genau auf das Hindernis aus Büschen und Baumstämmen zu, an dem sie nicht vorbeikonnte, und so wie er es geplant hatte, blieb sie kurz davor stehen. Instinkt, es war ihr Instinkt. Die andere hatte ihn auch gehabt.
Die beiden schmalen nackten Fesseln befanden sich nun unmittelbar vor ihm. Er sah die geröteten Stellen, wo die Brennhaare sie getroffen hatten.
Blitzschnell griff er zu, legte seine linke Hand um ihren dünnen Knöchel, und noch bevor sie
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