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Blinder Instinkt - Psychothriller

Titel: Blinder Instinkt - Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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blieb sie zunächst stehen. Jetzt meinte sie sogar, ein Zischeln und Flüstern zu hören, so als regten sich die Tiere auf, weil sie befürchteten, ihr Opfer könnte ihnen entkommen.
    Sie begann zu weinen und wünschte sich in das fremde Zimmer zurück. Irgendwohin, nur weg von hier, weg aus diesem sich dauernd bewegenden Wald, der nach ihr griff, sie berührte, an ihr zog und sie fressen wollte.
    Eine Berührung an ihrem Fuß! Sarah gab einen schrillen Laut von sich, blieb aber stocksteif stehen und hielt den Atem an.
    Beweg dich nicht, beweg dich nicht, dann tut es dir auch nichts, dann merkt es nicht einmal, dass du da bist!
    Jetzt wusste sie, woher dieses geschmeidige Geräusch gekommen war. Sie wusste es in dem Augenblick, da die Schlange über ihren Fuß glitt. Im Heim hatte sie mal eine Schlange berühren dürfen und das Gefühl nicht vergessen. Ein Mann hatte die Schlange damals extra für die blinden Kinder mitgebracht.
    War die Schlange gefährlich?
    Sarah wusste, dass es giftige und ungiftige gab.
    Plötzlich ein heftiger Schmerz an ihrem Fußrücken, gleichzeitig wand sich die kalte Schlange um ihr Fußgelenk. Gellend schrie Sarah auf, versuchte, das Tier abzuschütteln, doch es gelang ihr nicht.
    Auf den heftigen Schmerz folgte ein merkwürdiges Gefühl. Es schlich langsam ihr Bein hinauf und hinterließ Taubheit und Schwindel. Sie klammerte sich an den Baumstamm, aber nach und nach wurde ihr gesamter Körper schwammig, die Muskeln zittrig, so als habe sie lange Zeit nichts mehr gegessen. Schon gaben ihre Knie nach, und sie rutschte an
dem Stamm nach unten. Ihre Finger glitten wie nutzlose Anhängsel an der rauen Rinde hinab.
    Nicht auf den Waldboden, wo sie alle krabbeln!
    Nicht auf den Boden!

40
    Franziska bremste scharf.
    Sie hatte den Wagen nicht kommen sehen, der mit hoher Geschwindigkeit über die einsame Kreuzung in Hesterfeld schoss. Ein weißer Lieferwagen mit Aufschrift. So schnell, wie er gekommen war, verschwand er auch.
    »Fünfzig war das bestimmt nicht«, sagte Max.
    Sie warf ihm einen Blick zu. Er hatte sich beruhigt, saß aber wie ein Häufchen Elend auf dem Beifahrersitz. Seine Größe, Kraft und Stärke schien verschwunden zu sein - zumindest für den Moment.
    »Haben Sie die Aufschrift gelesen?«, fragte Franziska ihn. Draußen am Fluss, in dieser aufgewühlten Situation, hatte sie ihn noch geduzt, es war ihr einfach so rausgerutscht. Doch sie traute sich nicht, es dabei zu belassen, weil dieses eine Du seiner Hilflosigkeit geschuldet gewesen war, seiner Verwandlung in den fünfzehnjährigen Max Ungemach. Der war er jetzt nicht mehr. Franziska konnte spüren, dass ihm die Situation im Nachhinein unangenehm war und er nicht darüber sprechen wollte.
    »Irgendwas mit Saul und Sohn.«
    Ja, so was in der Art hatte sie auch gelesen, und Franziska meinte, diese Aufschrift zu kennen. Möglicherweise täuschte sie sich auch. Egal, nicht so wichtig. Sie nahm das Gespräch
wieder auf, das sie vor dem Beinahezusammenstoß begonnen hatten.
    »Und Sie haben nie Kontakt zu einem der Angler gehabt? Hin und wieder müssen Sie denen doch über den Weg gelaufen sein.«
    Max schüttelte den Kopf. »Klar bin ich dem einen oder anderen begegnet, aber die haben uns Jungen meist vertrieben. Die wollten ja nicht, dass wir in dem Bach spielten, weil der Lärm die Fische vertrieb. Warum fragen Sie so gezielt nach den Anglern? Glauben Sie, es war einer von denen?«
    Ohne ihn anzusehen sagte Franziska: »Es ist zumindest wahrscheinlich, und es gibt ein paar Indizien, die in die Richtung weisen.« Sie hätte ihn gern mit dem Namen Wilkens konfrontiert, um zu sehen, ob er etwas auslöste, er sich vielleicht sogar erinnerte, doch sie traute sich nicht. Sonst würde er dann bei der nächsten Möglichkeit auf Wilkens losgehen.
    »Sie verschweigen mir wieder etwas, oder?«, sagte Max.
    »So wie Sie sich heute benommen haben, lassen Sie mir keine andere Möglichkeit, auch wenn es mir anders lieber wäre.«
    Max seufzte. »Mittlerweile schäme ich mich dafür … Ehrlich. Das war nicht richtig. Aber als ich das in der Zeitung las, da war ich so wütend. Und für mich war klar, dass der Fahrer der Täter ist. Ich hab es nicht eine Sekunde in Zweifel gezogen. Können Sie das nicht verstehen?«
    Franziska konzentrierte sich auf eine enge Rechtskurve. Erst als die hinter ihr lag, antwortete sie. »Doch, kann ich. Nach dem, was Sie durchgemacht haben, ist das eine zutiefst menschliche Reaktion, wenngleich auch ziemlich

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