Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
wieder gefroren, und die Autofahrer von Richmond fuhren ohne Sinn und Verstand und schlitterten und schleuderten über die Straßen. Marino schaltete sein Funkgerät ein und verfolgte die Unfallmeldungen.
    »Wann wirst du dieses Ding abgeben?«, fragte ich ihn.
    »Wenn sie kommen und es wiederhaben wollen«, antwortete er.
    »Ich liefere nicht mal Scheiße ab.« »Das ist die richtige Einstellung.«
    »Das Schlimme an jedem Fall, den wir zusammen bearbeitet haben, ist, dass immer mehrere Dinge gleichzeitig passieren«, sagte er. »Wir versuchen so viel Unsinn miteinander in Verbindung zu bringen, dass wir die Biografie des Opfers schreiben könnten, wenn wir den Fall gelöst haben. Die Hälfte der Verbindungen, die wir herstellen, ist belanglos. Wie zum Beispiel der Mann, der sich über seine Frau aufregt. Sie ist sauer und geht aus dem Haus, wird auf dem Parkplatz entführt, dann vergewaltigt und ermordet. Ihr Mann, über den sie sich geärgert hat, ist nicht schuld. Vielleicht wäre sie sowieso zum Einkaufen gegangen.«
    Er fuhr auf meine Einfahrt und blieb stehen. Ich sah ihn lange an.
    »Marino, was wirst du wegen Geld unternehmen?«
    »Das wird schon.«
    Ich wusste, dass das nicht stimmte.
    »Du könntest mir eine Zeitlang als Ermittler helfen«, sagte ich.
    »Bis dieser Unsinn mit deiner Suspendierung vorbei ist.«
    Er schwieg. Solange Bray da war, würde er ohne Bezüge vom Dienst suspendiert bleiben. Das war ihre Art, Marino zu zwingen, den Dienst zu quittieren. Wenn er das täte, wäre er wie Al Carson aus dem Weg.
    »Ich habe zwei Möglichkeiten, dich anzustellen«, fuhr ich fort.
    »Zum einen auf einer Fall-zu-Fall-Basis, und da kriegst du fünfzig Dollar pro -« Er schnaubte. »Fünfzig Dollar! Ich kann's nicht fassen.« »Oder ich stelle dich auf Teilzeit-Basis an. Das heißt, ich muss die Stelle ausschreiben, und du musst dich wie alle anderen bewerben.«
    »Mir wird schlecht.«
    »Wie viel verdienst du jetzt?«
    »Ungefähr zweiundsechzigtausend im Jahr plus Zulagen«, sagte er.
    »Das Beste, was ich für dich rausholen kann, ist der gehobene Dienst. Dreißig Stunden die Woche. Keine Zulagen. Fünfunddreißigtausend im Jahr.«
    »Das ist ein guter Witz. Der Beste, den ich seit langem gehört habe.«
    »Ich kann dich auch noch am Institut als Lehrer und Koordinator für Ermittlungen in Todesfällen anstellen. Das wären weitere fünfunddreißigtausend. Macht siebzigtausend. Keine Zulagen.
    Damit wärst du wahrscheinlich besser dran.«
    Er dachte eine Weile drüber nach und rauchte.
    »Ich brauche deine Hilfe jetzt nicht«, sagte er barsch. »Und neben Pathologen und Leichen herumhängen ist nicht Teil meines Lebensplans.«
    Ich stieg aus.
    »Gute Nacht«, sagte ich.
    Er fuhr wütend davon, aber ich wusste, dass er nicht wirklich auf mich zornig war. Er war frustriert und empört. Seine Selbstachtung und Verletzlichkeit lagen vor meinen Augen bloß, und er wollte nicht, dass ich ihn so sah. Trotzdem, was er gesagt hatte, hatte weh getan.
    Ich warf meinen Mantel über einen Stuhl in der Diele und zog meine Handschuhe aus. Ich legte Beethovens »Eroica« in den CD-Spieler, und langsam beruhigten sich meine verstimmten Nerven. Ich aß ein Omelett und legte mich ins Bett mit einem Buch, das zu lesen ich zu müde war.
    Ich schlief bei eingeschaltetem Licht ein und wurde vom Schrillen der Alarmanlage aus dem Schlaf gerissen. Ich holte meine Glock aus der Schublade und widerstand dem Impuls, die Alarmanlage abzustellen. Ich konnte den entsetzlichen Lärm nicht ausstehen. Aber ich wusste nicht, was ihn ausgelöst hatte.
    Ein paar Minuten später klingelte das Telefon. »Hier spricht ADT -«
    »Ja, ja«, sagte ich laut. »Ich weiß nicht, was den Alarm ausgelöst hat.«
    »Wir haben ein Signal in Zone fünf«, sagte der Mann. »Die Küchentür in den Garten.«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Dann sollen wir die Polizei verständigen?«
    »Vermutlich wäre das besser«, sagte ich, als die Luftschutzsirene in meinem Haus losging.

28
    Ich vermutete, dass eine heftige Windbö den Alarm ausgelöst haben könnte, und ein paar Minuten später schaltete ich ihn aus, damit ich hörte, wenn die Polizei käme. Ich saß auf meinem Bett und wartete. Ich ersparte mir die verhasste Prozedur, mein Haus Zentimeter für Zentimeter abzusuchen, Wohnräume und Badezimmer und dunkle Orte der Angst zu betreten.
    Ich horchte auf die Stille und war mir ihrer Geräusche nur allzu bewusst. Ich hörte den Wind, das leise Klicken der Zahlen

Weitere Kostenlose Bücher